Melodien für Charaktere

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Aktuell wird das Thema „Musik im Rollenspiel“ eifrig an verschiedenen Stellen diskutiert, ist immerhin auch das Thema des RPG-Karnevals im Mai.

Da mache ich auch mal mit, habe ich mir gedacht, allerdings werde ich zwar noch was zur allgemeinen Diskussion beitragen, wie sie derzeit läuft, starten möchte ich aber lieber mit einem anderen Unterthema.

Wer im Mai mitdiskutieren möchte zu „Flöten, Sänger, Synthesizer“ kann das beispielsweise hier: RSP-blogs.de (Forum).

Allgemeine Musikbeschallung ist das eine Thema, und so ziemlich auch das einzige, das bislang im Rahmen des Karnevals thematisiert wird, wenn auch mit ziemlich coolen Beiträgen zu diverser Software und so weiter. Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten, Musik im Rollenspiel – durchaus auch indirekt – zu verwenden: als Titelmelodien zum Beispiel.

Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte?

Vielen fällt es schwer, einen Charakter in Worte zu fassen. Oftmals gibt es eine konkrete Vorstellung des Charakters im Kopf des Spielers, aber das zu Papier zu bringen … viele wollen oder können das nicht so. Es gibt etliche Hilfen dazu, etliche Fragen, die man zu einem SC beantworten kann, um ihm „näher“ zu kommen und eventuell auch anderen somit outplay zu vermitteln, wie dieser Charakter so „tickt“. Aber diese Fragen mag nicht jeder, Hintergrundgeschichten mag nicht jeder, Tagebücher oder überhaupt etwas zu schreiben mag nicht jeder … und transportieren wollen viele ihren Charakter outplay dennoch ein bisschen genauer.

Eine Möglichkeit, die viele nutzen, ist die Verwendung eines Bildes. Manche bevorzugen Gezeichnetes, je nach Genre geht es auch kaum anders, viele nutzen Fotografien. Früher habe ich vorwiegend Bilder von bekannten Schauspielern/Rollen gesehen, was ich persönlich wegen der Vorbelegung nicht so gelungen finde, aber anderen geht es eher darum, genau diese Vorbelegung zu nutzen, um mehr Infos über den Charakter zu transportieren. Es gibt jedoch zahlreiche andere Quellen im Netz, über die man geeignete Fotos/Bilder finden kann (und an der Stelle mal ein kleiner freundlicher Hinweis auf das Urheberrecht, falls jemand diese Bilder auch online stellen möchte!).

Und so, wie man ein Bild verwenden kann, kann man auch Musik verwenden.

Titelmelodie eines Spielercharakters

Diese Melodie kann man in einer Spotlight-Situation natürlich einspielen, wenn man möchte. Hab ich noch nie getan, sondern kenne und nutze diese Melodie lediglich als Outplay-Info. Anders als bei üblicher Musikuntermalung bieten sich hier nicht unbedingt instrumentale Stücke in erster Linie an, sondern solche mit Text, da nicht alle Leute über einen derartigen musikalischen Zugang verfügen, dass sie aus Stimmung und Verlauf eines Stückes gleich den Mehrwert einer Charakterinformation ziehen können.

Das Zusammenspiel von Musik und Text funktioniert allerdings ziemlich gut. Um mal ein Beispiel zu geben:

Eine Spielerin in einer meiner Runden spielte eine geschiedene Karrierefrau mit zwei Kindern. Das war abgesehen von den später folgenden Charakterwerten im Grunde alles, was zunächst für diesen Charakter festgelegt worden war. Sie stellte ein Foto einer blonden Frau mit eisblauen Augen online. Das vermittelte eine gewisse Kühle, aber dennoch wirkte die Dame auf dem Foto recht freundlich. Dann gab sie die Titelmelodie ihres Charakters an: „Cats in the cradle“ – und damit wusste jeder unglaublich viel mehr über diesen Charakter. Es handelte sich also dem Plan nach nicht einfach um eine allein erziehende Karrierefrau, die ihre beiden Kinder in ihrem Alltag unterbringen musste, sondern es handelte sich vielmehr um eine allein erziehende Karrierefrau, die ihren Fokus da ganz klar gesetzt hatte. An erster Stelle standen Job und Karriere, erst irgendwann an zweiter Stelle kamen die quasi rund um die Uhr von Babysittern beaufsichtigten Kinder. Und so war es letztlich auch, genau so hat sie diesen Charakter gespielt und damit durch die Angabe eines einzigen (Titel)songs für jeden vorab schon klar gemacht, wo Dreh-/Angelpunkt und eben auch dramatischer Kern des Charakters liegen.

Und meiner Meinung und Erfahrung nach ist es eben oft so, dass man mit einem einzigen Musiktitel unglaublich viel aussagen kann über den Charakter beziehungsweise das eigene Verständnis des Charakters.

Ob der Titel nun zum bespielten Genre passen muss, sollte jeder selbst entscheiden. Ich finde, ein klassischer Fantasy-Charakter darf durchaus auch mal ein Metal-Titellied haben beispielsweise. Mal abgesehen davon, dass es durchaus selbst als Untermalung passen könnte, sind die Lieder ja eher auf Outplay-Ebene zu sehen. Vom Spieler für den Spieler selbst, SL und Mitspieler.

Titelmelodie eines NSC

Auch für NSC kann man solche Titellieder festlegen. Wenn es wichtige und wiederkehrende Charaktere sind, dann eignet sich das Ganze so wie bei den SC beschrieben genauso gut, wenn man darüber auch gleich mehr Informationen an die Spieler mitgeben möchte. Bei NSC bietet es sich allerdings eher an, eine (instrumentale) Melodie zu finden, die ihn charakterisiert und eingespielt wird, wenn der NSC ins Spiel kommt. Das geht auch ohne Zusatzinfos seitens des SL ganz schnell, dass die Spieler schließen: „Ah, diese Musik … klingt so, als tauche gleich XYZ auf!“

Der letzte Absatz zeigt gleich die beiden wichtigsten Stolperfallen beim Einsatz von Titelmelodien für NSC:

Einmal möchte man vielleicht gar nicht so viel über diese Figur preisgeben, schon gar nicht von Anfang an. Die Spieler sollen nicht gleich eine Richtungsvorgabe haben in Form von „guter/böser NSC“. Dann sollte man sowas sein lassen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt oder nur für sich selbst als SL so etwas heraussuchen. Natürlich kann man mittels einer solchen Melodie auch falsche Annahmen wecken; da sowas für mich dann aber unter das No-Go der Spielerverarsche fällt, ist das aus meiner Sicht keine gute Option.

Im Spiel eingesetzte Melodien schaffen zwar einen enormen Wiedererkennungswert, doch Überraschungsmomente sind nach kurzer Zeit kaum noch möglich, außerdem kann es passieren, dass Spieler bewusst oder unbewusst ihre Entscheidungen vom Auftauchen der Musik abhängig machen.

Beispiel:

Die SL spielt die Melodie eines bestimmten „guten“ NSC ein, will damit aber gar nicht auf dessen Auftauchen hinweisen, sondern vielmehr andeuten, dass die fiesen Leute, die da gerade die Spieler umzingeln, bereits diesen NSC entführt und verhört haben. Der NSC selbst taucht gar nicht auf oder hat nur indirekt mit dem Geschehen zu tun (wurde entführt), hat vielleicht aus bestimmten Gründen (Verhör) die SC verraten. Die Spieler wiederum würden die Situation wohl eher so werten, dass von den fiesen Leuten da keine Gefahr ausgeht, weil besagter NSC sie geschickt hat und entsprechend unvorbereitet in eine Falle laufen.

Anderes Beispiel wäre, dass die SL sich verklickt oder in dem Moment, in dem sie eine dieser Melodien anwirft, nicht an den zugeordneten NSC denkt – die Spieler aber vielleicht schon, so dass es auch hier zu Irritationen und Fehlentscheidungen kommen kann.

Ich halte Musik in jedem Fall für ein oft unterschätztes und mächtiges Werkzeug, wie diese Beispiele schon zeigen, darum sollte man sich sowas ebenso wie die musikalische Untermalung generell sehr gut überlegen.

Soundtracks von SC

Abgesehen von dem charakterisierenden Theme eines Charakters können auch Soundtracks ganz nett sein. Zugegebenermaßen sind diese nicht wirklich „für was gut“, aber ich erstelle ganz gerne welche. Hintergrund ist der, dass ich mir überlege, welche Lieder eine bestimmte gespielte Situation oder ein bestimmtes Dilemma besonders gut widerspiegeln und diese dann zu einem Soundtrack zusammensetze. Mit der Zeit entstehen so Playlists von 20 und mehr Titeln bei mir, die ich mir tatsächlich auch immer wieder gern mal anhöre.

Ich verwende sie, um parallel zum Hören Charaktertagebuch zu schreiben und damit eine bestimmte Stimmung musikalisch untermalt wieder abrufen zu können, nutze sie aber auch vor einer Session, falls ich gerade den Kopf voll habe, sehr abgelenkt bin und so weiter und befürchte, beim Beginn des Spiels noch so gar nicht wieder zum Charakter gefunden zu haben, um den vernünftig darzustellen. Dabei finde ich solche Soundtracks tatsächlich hilfreich, beim Spielbeginn mit dem Charakter dann auch wirklich „da“ zu sein.

Schlussendlich zeigen solche Soundtracks durchaus auch Entwicklungen auf, denn schließlich bleibt ein SC ja nicht immer gleich, sondern entwickelt sich weiter, verändert vielleicht bestimmte Einstellungen etc.