Burn, Baby, Burn

logo_rumgedacht

Zu meinem Artikel „Sich als Spieler auf eine Session vorbereiten“ kam hier und da abseits des Blogs die Rückmeldung, man habe da irgendwie mehr erwartet inhaltlich, und dass man es gut fände, wenn ich da noch ein wenig detaillierter was schreiben würde. Das wollte ich gern aufgreifen, aber … das geht nicht.

Was habe ich in o.g. Artikel angesprochen? Ich habe Allgemeinplätze wie Pünktlichkeit, Plotkenntnis, Charakterkenntnis, „Bock“ angesprochen und einen Verweis auf individuelle Rundenerfordernisse gesetzt. Das war es dann auch schon. Was fehlt also?

Ich glaube tatsächlich, dass da gar nichts fehlt, denn das ist wirklich schon alles, was zur grundlegenden Vorbereitung nötig ist oder besser: selbstverständlich sein sollte. Dass es eben nicht so selbstverständlich ist, ist vielen schon aufgefallen oder aufgestoßen, und angeregt durch schlussendlich meinen Beitrag zur Vorbereitung hat edalon dann in seinem Blog sogar die Frage aufgeworfen, ob es so etwas wie einen Rollenspieler-Knigge geben sollte. Wie ich da schon kommentierte, glaube ich nicht, dass das die Lösung des Ganzen ist.

Naja, jedenfalls hab ich viel über die oben genannten Rückmeldungen nachgedacht und mich gefragt, was ich dazu Detaillierteres schreiben könnte. Es ist nun mal so, dass alle anderen Sachen, die sich auf Spielervorbereitungen beziehen, primär rundenspezifisch sind. In der einen Runde sind die Aufgaben vielleicht verteilt und ein Spieler übernimmt die Musik für den Abend, ein anderer kocht für alle, der nächste kümmert sich um Maps/Software, in einer anderen Runde spielen die Leute mehrere Charaktere oder zeitweise wiederkehrende NSC und sollten dann auf diese vielleicht noch mal einen Blick werfen und so weiter. Es gibt dann noch solche Forenthreads wie „Wie werde ich ein besserer Spieler?“, aber die nehmen wiederum andere Wege bzw. geben nicht unbedingt meine persönliche Meinung wieder. Außerdem gehen sie deutlich über die reine Session-Vorbereitung von Spielerseite aus hinaus. Für die Leute auf der Suche nach mehr Input zum Thema kommt der Link ja aber vielleicht ganz gelegen.

Da gibt es also nicht wirklich was, das man allgemeingültig in einem weiteren Artikel ansprechen könnte. Oder?

Nach langem Überlegen ist mir dann doch etwas eingefallen, und zwar etwas, das alles andere in den Schatten stellt. Kurzum: Ich hätte „Bock“ groß und fett schreiben sollen. Also so: BOCK!

Ich behaupte: Wer wirklich Bock auf eine Runde, Bock auf seine Mitspieler, Bock auf den Plot, Bock auf seinen Charakter, Bock auf’s Rollenspiel, Bock auf … hat, für den sind alle Verhaltenshinweise, ob nun von mir oder sonstwem, völlig überflüssig. Und ich finde fast erschreckend, dass ich derart lange darüber nachgedacht habe, bis es mir wie Schuppen aus den Haaren von den Augen gefallen ist.

Ich habe mich ernsthaft gefragt, was solche Spieler, die ich am liebsten adoptieren würde, weil ich so megamäßig gern mit ihnen spiele, von all den anderen unterscheidet. Denn die sind wie ich selbst auch keineswegs perfekt. Da hakt es auch schon mal an irgendwas – ich hab es beispielsweise vor gar nicht so langer Zeit mal geschafft, bei einer Tischrunde ohne Charakterbogen (auch noch eines anderen Mitspielers), Würfel, Zettel, Stift, Radiergummi etc. aufzutauchen und meine Mitbringsel bestanden aus Getränken für mich selbst, denn auch an Knabberzeug und so weiter hatte ich nicht gedacht. Gut, sowas ist mir genau ein Mal passiert, aber da waren Leute, die kannten mich da noch gar nicht und werden das vielleicht schon (zu Recht) durchaus negativ gewertet haben. Umgekehrt kenne ich solche Leute auch und spiele ungeachtet solcher Faux pas dennoch gern mit ihnen, ohne sie als Mitspieler je in Frage zu stellen. Oh, erst neulich ist es mir zwei Male kurz hintereinander passiert, dass ich beim Spielen beinahe eingeschlafen wäre. Ich hab mich darüber maßlos geärgert, aber ich kam nicht dagegen an und war entsprechend still(er). In der Voicechat-Runde war das nicht sooo schlimm, weil man mir meine Müdigkeit da immerhin nicht ansehen konnte, in der Tischrunde hingegen hab ich enorm gekämpft. Dabei hatte ich mich in letzterem Fall sogar noch unmittelbar vor der Session zwei Stunden hingelegt, also auch da kam ich einfach nicht gegen die Müdigkeit an. Ich darf aber trotzdem weiterhin mitspielen und werde nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

Warum ich diese Beispiele bringe, obwohl keinen interessieren dürfte, dass ich neulich mal fast eingeschlafen wäre und an anderer Stelle alle mitzubringenden Utensilien vergaß? Weil ich jetzt tatsächlich schon einige Male mit Leuten (sowohl als Mitspielerin als auch als SL) diskutiert habe, die in meinen Augen zu passiv waren, zu outplay, zu unkooperativ, zu … Ich wollte wissen, woran es liegt, wollte meine Wahrnehmung des Ganzen aufzeigen und auch, wie sich das wiederum auf mein Spielen auswirkt. Und natürlich wollte ich Veränderungen herbei führen. Die Reaktionen darauf waren ein bisschen gefächert, aber nicht allzu breit. Im Grunde kann ich sie aufteilen in 3 Gruppen:

1. Sachliche Reaktion mit dem Hinweis, man müsse sich halt noch in den SC einfinden und es sich daher entwickeln lassen.

2. Rückfrage an mich, ob ich also erwarte, dass alle Leute jetzt so spielen sollen, wie ich das für richtig halte

3. Bedauernder Hinweis, dass man für meine Anforderungen wohl nicht gut genug sei, nicht so viel wie von mir erwartet leisten könne und sich darum besser aus dem Spiel zurückziehe.

Und ich habe aus allen drei Rückmeldungen etwas gelernt. Zuerst allerdings, dass ich allen dreien ziemlich auf den Leim gegangen bin.

1. Entwicklungszeit ist kein Ding. Da ich selbst Charaktere und deren Entwicklung gern in den Mittelpunkt stelle, verstehe ich dieses Argument unheimlich gut. Ich hätte da von vornherein rückfragen sollen, wie lange eine adäquate Entwicklung wohl dauert. Wenn der allgemeine Konsens oder die kommunizierte Vorab-Erwartung (die für mich Teil des Konsens‘ ist) besagt, dass Entwicklung Teil des Spiels ist, ist beides berechtigt, sowohl die eingeforderte Zeit als auch die Rückfrage. Wenn allerdings 1-2 Leute ein deutlich anderes Zeitverständnis haben als die anderen 2-3, dann führt das zu Problemen. Da müssen die Schnelleren dann Rücksicht auf die Langsameren nehmen, ja – aber umgekehrt müssen die Langsamen dann ihr Tempo auch ein bisschen anziehen. Wer das nicht tut, was von beidem auch immer, spielt unkooperativ und auf Kosten anderer. Das ist mir länger so nicht klar geworden.

2. Diese Rückfrage hat mich entsetzt und dazu geführt, dass ich sofort ausrief: „Nein, nein, so hab ich das nicht gemeint!“. Im Nachhinein: Doch, hab ich so gemeint und wurde auch richtig verstanden. Ich erwarte nicht, dass alle so spielen sollen, wie ich das für richtig halte, da liegt der Knackpunkt in der Formulierung. Aber ich erwarte, dass alle so spielen sollen, wie es dem Gruppenvertrag (oder dem allgemeinen Konsens, der allgemeinen Meinung … wie auch immer man es nennen mag) entspricht. Und das ist nicht arschig, wie die Rückfrage mich hinstellen wollte und auf den Zug ich auch noch aufgesprungen bin, sondern das ist der einzig sinnvolle Weg. Arschig ist, sich Lücken zu suchen und den Ego-Trip zu fahren, am besten noch garniert mit dem berühmten „Mein Charakter ist halt so!“. Und wenn keiner außer mir eine Meinung zu etwas vertritt, sondern alle mit „Ist mir egal“-Attitüde agieren, dann finde ich sogar, dass meine Meinung/Erwartung da tatsächlich eine hohe Relevanz hat. Wenn es allen egal ist, mir aber nicht – wieso dann nicht meiner Erwartung folgen, mal im Ernst?

3. Hat mich ebenfalls kalt erwischt, denn ich halte mich grundsätzlich für einen sozial ausgelegten Menschen. Mir also etwas Elitäres, etwas Selektierendes zu unterstellen und damit den Spieß umzudrehen, trifft mich. Nein, natürlich soll niemand aufhören (mit mir) zu spielen, weil meine Erwartungen zu hoch sind. Wo kämen wir da hin!? Nein, natürlich müssen die Anforderungen dann gesenkt werden, damit alle gleichermaßen mitspielen können, logisch, sicherlich! Das ist, so leid es mir tut, das über meine eigene da vertretene Meinung sagen zu müssen, ganz großer Bullshit gewesen. Man müsste nämlich da nun erst mal gucken, von welchen Erwartungen die Rede war, deren Erfüllung als zu hoch eingestuft wurde. Ohne da nun die Einzelgespräche auszuwalzen, mach ich es mal kurz: Ich hatte kooperatives Spielen verlangt, bei dem man sich selbst (bzw. seinen SC) aktiv ins Geschehen einbringt. Das – ohne Witz – war alles, natürlich abseits von Pünktlichkeit und Co., die ich als generelle Grundvoraussetzungen ansehe. Mit etwas Abstand muss ich sagen: Wie dumm von mir, da noch um des lieben (sozialen) Friedens Willen einzulenken. Wer nicht mal leisten kann, aktiv mitzuspielen und das in kooperativer Weise … was genau macht der denn sonst?

Der erste Punkt passt nun nicht ganz so in das Gesamtbild, denn da kann ich zu den angesprochenen Leuten sagen, dass sie dennoch irgendwie Bock hatten. Vielleicht nicht übermäßig und nicht genug, um sich da Gedanken zu machen, wie sie diese Zeitspanne selbst verkürzen können, dass sie Angebote gemacht hätten oder sich umgekehrt mehr mit dem Setting befasst hätten, um sich sicherer zu fühlen, aber egal. Diese Spieler waren aber da, wenn es ans Spielen ging, haben nicht rumgemault, sondern versucht, abseits ihrer „eigenen kleinen Welt“ da bei Gelegenheit das Spiel der anderen kooperativ zu supporten. Damit kann man leben, zumindest erst mal, und zumindest ist der Bock da nicht Dreh- und Angelpunkt.

Beim zweiten Punkt war Bock auf jeden Fall gegeben, aber eben auf dem Ego-Lücken-Trip. Es wäre also falsch zu sagen, da ist kein Bock vorhanden. Der Bock fehlte lediglich, im Rahmen der Gruppenabsprache und mit Rücksicht auf den Bock anderer zu spielen. Das ist zwar ein bestimmt klassisches Spielerbeispiel (taucht ja immer wieder mal als Problemspieler irgendwo genannt auf), aber kein primäres Bockproblem.

Und der dritte Punkt trifft den Nagel dann endlich auf den Kopf. Was da als Feedback kommt ist nämlich: „Ich hab keinen Bock.“ Da gibt es eigentlich nichts zu diskutieren, da gibt es auch keinen Schuh mehr, den man sich anziehen müsste für irgendwas. Da muss man sich auch nicht mehr entschuldigen, dass einem sowas negativ aufstößt und man muss da auch keine weiteren Angebote machen, die nämlich ohnehin im Nichts verpuffen werden. Wenn aktives Mitspielen zu viel verlangt ist, dann gibt es keinen Mitspieler, keine Interaktion, kein Spiel. Wozu soll sowas gut sein?

Ich begreife ja wirklich nicht, wieso man sich an einer Spielrunde beteiligt, auf die man keinen Bock hat. Aber sei es drum. Fakt ist: Wer Bock hat, bringt sich ein. Der kann gar nicht anders! Da wird nachgedacht, mitgedacht, angespielt, ausgespielt. Da ist Leben in der Bude, da ist Tempo drin. Da ist der Bock spürbar, denn die Spieler brennen dafür!

Ob sich das nun auch auf den Outplay-Bereich erstreckt, ist was ganz anderes. Jemand kann für eine Runde brennen und dennoch Charaktertagebücher hassen beispielsweise – oder in der Runde gibt es sowas gar nicht erst. Derjenige liest dann vielleicht lieber ein Regelwerk zum System, während der nächste sich mit einem Schauplatz einbringt, ein paar NSC beisteuert oder sowas. Und dann gibt es Leute, die machen alles von dem nicht und brennen trotzdem. Das merkt man daran, dass sie eben aktiv mitspielen, dass sie sich an den Konsens halten, dass sie sich in einem Miteinander bewegen, pünktlich da sind und gerne – durchaus auch ungefragt – sinnvolles Feedback geben, und zwar nicht als Gefallen oder als „erzwungene Maßnahme“ für oder von jemanden, sondern einfach, weil sie auch dazu Bock haben, weil es sie schlussendlich selbst weiterbringt.

Und klar muss man auch hier differenzieren. Jemand brennt vielleicht für Fun-Runden, ein anderer für strategische Spiele, wieder jemand nur für ein bestimmtes System, ein anderer brennt für Dramen. Man kann also durchaus auch nur teilweise brennen quasi. Man interessiert sich für bestimmte Spielinhalte oder für einen bestimmten Spielstil, für den Rest aber nicht so, ist da vielleicht auch insgesamt passiver. Das macht aber nichts, denn Rollenspiel ist so breit gefächert, dass für jeden etwas dabei ist. Entweder wechseln die Themen und mal steht der Zunder für den einen, dann der für den anderen im Fokus, oder aber man kann durchaus festhalten, dass man lieber was anderes spielen möchte. Dann wird entweder darauf eingegangen oder aber, wenn das nicht möglich, gewünscht oder sonst was ist längerfristig, dann steigt derjenige halt aus. Macht nix, denn dann findet man halt bei der nächsten Runde zusammen, wo die Interessen kompatibler sind. Stattdessen wird auf Biegen und Brechen versucht, Bock zu erzwingen und im Zweifel geht es auf die Outplay-Dramaschiene. Da sagt dann jemand „Hm, ist mir nicht funny genug, ich steig mal aus – bis zur nächsten Fun-Runde, Leute! *wink*“ oder ein anderer „Du, Strategie scheint nicht so dein Ding zu sein. Ich sag dir Bescheid, wenn wir was Strategisches spielen, aber in die jetzige Konstellation passt du nicht so ganz rein, da spielen wir besser mit wem anderes“ – und beides wird persönlich genommen. Ich kenne nur ganz wenige Leute, die so etwas nicht persönlich nehmen. Und ich weiß gar nicht, ob das wirklich an der „Ablehnung“ als solcher liegt, oder nicht vielmehr daran, wie man diese Ablehnung vermittelt? Ich glaube, es liegt eher an letzterem. Denn durch das Rumdrucksen gibt man dem Ganzen selbst eine persönliche Note, die man dann umgekehrt natürlich auch provoziert.

Summa summarum: Man sollte pünktlich sein und zuverlässig und seinen Charakter kennen und den laufenden Plot zumindest und … aber vor allem, vor wirklich allem anderen, muss man brennen für das, was man da spielt oder leitet. In diesem Sinne: Burn, Baby, Burn!

Und abschließend noch ein paar Links zum Grundsatzthema, die ich gelesen habe, derweil ich mich mit diesem Artikel befasst (darüber nachgedacht und ihn geschrieben) habe. Sie haben mehr oder weniger damit zu tun zu brennen und wie schon eingangs gesagt spiegeln sie nicht unbedingt zu 100% meine Meinung, aber ich fand sie anregend, inspirirend und auf die eine oder andere Art und Weise hilfreich:

Gedanken zu: Wie werde ich ein besserer Spieler? (parallel zum oben verlinkten Tanelorn-Thread zu sehen)

Was ist denn nun ein guter Spieler?

Ja soll ich meinen Spielern noch den Ars.. abwischen?

Spieltoleranz (da fand ich vor allem den ersten Absatz des Beitrages zum Thema Toleranz vs. Gleichgültigkeit interessant)