Vom Spielen zum Spielleiten

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Eigentlich wollte ich ja aus Challengegründen erst mal keine Retro-Beiträge mehr verfassen, aber … naja, zwischendrin geht es dann bei kürzeren Challenge-Beiträgen dann doch auch mal weiter.

So, also eine verheiratete Bornländerin mit drei irgendwann erwachsenen Kindern und etlicher Abenteuererfahrung war aus der jungen neugierigen Händlerstochter also irgendwann geworden. Da konnte ich ja nun mit dem Rollenspiel eigentlich gemäß „been there, done that“ wieder aufhören, was?

Nee, nee, sowas ist natürlich nicht passiert. Charakter und Runde habe ich dann irgendwann allerdings doch an den Nagel gehangen. Wo Rollenspieler aufeinander hocken und ihre Freizeit vor allem mit Rollenspielern verbringen, da kann man sich schon mal näher kommen. Kurz gesagt hatte ich irgendwann eine etwa halbjährige Beziehung mit dem Schelm-Spieler der Runde. Das war aber nicht so das Gelbe vom Ei, also beendete ich das Ganze schließlich. Nun sah er mich täglich in der Schule und dann noch in der Runde … kam er nicht so gut mit zurecht, also entschied ich schließlich, die Runde ihm zuliebe zu verlassen. Einmal sicherlich aus einem schlechten Gewissen heraus, denn er war ja lieb und nett, nur eben … wie das manchmal so ist …, außerdem war er schon vor mir einer der „Nerds“ der Runde gewesen, naja, ich ging jedenfalls.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich die geltende Ordnung im Schulumfeld ja ohnehin längst etwas verändert *g*, und so dauerte es gar nicht lang, bis zwei aus der Schule mich auf DSA ansprachen und darauf, ob man das nicht mal spielen könne? Na, aber logisch konnte man!

So wechselte ich also die Seiten und begründete meine erste Runde, in der ich „Meisterin“ war. Ich war schrecklich aufgeregt!

Mit zuerst nur zwei Spielern lernte ich die Tücken des Leitens kennen. Also einmal war das ziemlich bescheuert, den halben Abend lang irgendwelche allgemeinen Informationen vorzulesen, um dann portionsweise zu den speziellen Informationen zu wechseln, die ohnehin stets zu mindestens der Hälfte absolut nicht zu dem passten, was ich hätte wissen sollen, was abgefragt wurde, was gerade geschah. Die akribische Nutzung von Kaufabenteuern war somit ganz fix das erste, das aus meinem Repertoire flog. Zum Glück hatte der Meister der vorherigen Runde zumeist eigene Plots genutzt, so dass mir sowas nicht mehr zur Gänze unbekannt war. Der Haken daran: Kreativität.

Ich glaube, es war damals schon die Orkenspalter-Seite mit ihrem Umfang an DSA-Abenteuern von Spieler und für Spieler, die mir den Hintern rettete. Ich stellte fest, dass mir ein grobes Gerüst reichte. Ohne ein solches stand ich ziemlich blöd da, aber sobald ich einen Aufhänger hatte wie „Bring das Ei von A zu B“ oder „Kläre den Mord in Y auf“ war alles gut. Den Rest konnte ich mir recht gut aus den Fingern saugen, auch wenn sich gleiches nicht über Handouts, Karten und Co. sagen lässt.

Sind wir mal ehrlich: Das Ganze war relativ kläglich, was da geschah. Ich war diejenige, die die Regeln kannte, ich war die, die das Spiel kannte, ich war die sozusagen „Meisterin des Spiels“ … und darauf beruhte auch mein „Ruhm“ als SL. Schienen gab es verhältnismäßig wenige, das kann ich mir zugute halten, aber meine Beschreibungen waren nun nicht so besonders toll, meine NSC waren es auch nicht … das ganze Spiel war mehr auf das Würfeln als auf das Erzählen abgestimmt. War ja auch okay, hatten schließlich alle ihren Spaß dran.

Und dann, dann kam der Tag, als ich den Freund eines Freundes mit in die Runde aufnahm. Anders als die anderen beiden Mitspieler – der eine nahm eher stillschweigend an allem teil und meldete sich vorrangig bei logisch-taktischen Aspekten mal zu Wort, der andere spielte einfach des Coolness-Faktors wegen – wollte der vor allem seinem Charakter Leben einhauchen, ihn mit Aventurien verbinden, ihn darin einbetten und an allem teilhaben. Zwar hatte auch sein Spiel etwas Pragmatisches, aber er verband eigentlich alles, was man so spielen konnte, auf sehr harmonische Weise. Sein Charakter war lebendig, man hatte ihn vor Augen, wenn er spielte. Er war konsistent, war aktiv, hatte Freude an der Darstellung eines Tavernenabends, eines Festes, eines Kampfes, einem Streitgespräch … irgendwie an allem.

Und mit genau diesem Spiel, das mich merklich beeindruckte und meine eigene Darstellung verbesserte (nicht zuletzt, weil sie an das Spielen anknüpfte, das ich in der „Nerdrunde“ gelernt hatte), weil ich vor allem ihm und seinem Spiel eine bessere Plattform bieten wollte (Fehler Nr. 1), forderte er die Konkurrenz des Coolness-Mitspielers heraus. Auf einmal war er nicht mehr der Aktivste, nicht mehr der Coolste, hatte statt der Hälfte der Session nur noch ein Drittel und meist eben wegen des lebendigen Spiels des Neuen weniger (Fehler Nr. 2), außerdem beging der neue Mitspieler einen Kardinalfehler, den der andere Mitspieler bislang tunlichst vermieden hatte: Er sprach das Thema der Logik an (Fehler Nr. 3).

Ich hatte auf vieles nicht genauer geachtet, weil es keine Rolle spielte, weil es mir nicht aufgefallen war, weil es mir egal war und aus bestimmt noch mehr Gründen (gesammelter Fehler Nr. 4). Aber der neue Mitspieler hatte Recht: Da ging mehr. Viele Möglichkeiten gab es einfach nicht, weil ich ohne Konsequenzen spielte. Ein Fest für jemanden, der cool sein will, ein Graus für (den) andere(n).

Also beschloss ich, das Ganze fortan anders aufzuziehen. Nicht nur, dass ich mich beflügelt sah, besseres Spiel zu bieten, nein, ich wollte ab sofort auch selbiges fordern, denn ich wollte eigentlich gerne, dass ich drei solcher Spieler hatte wie den Neuen, nicht nur den einen. Im Zuge dieser DSA-Reformation führte ich unterschiedliche AP-Vergabe ein. Tja. Fehler Nr. 5 …

Es gab eine Art Reboot mit neu erstellten Charakteren zum nächsten Treffen. Der Neue spielte einen Meuchelmörder (ja, ja), der Coole spielte einen an Flötenspiel und Lyrik interessierten adeligen Krieger, an den dritten Charakter erinnere ich mich nicht mehr.

Es begann mit dem Besuch eines großen Stadtfestes – und da endete der Abend schließlich auch. Auf dem Weg dorthin hatte irgendein an einer Brücke schlafender Ganove sein Leben verloren, weil der Meuchelmörder ihn eben gemeuchelt hatte (wodurch selbiger mehr oder minder zur Gruppe stieß). Das hatte mich allerdings nicht verärgert und die AP-Vergabe am Ende des Abends war durchschnittlich.

Geärgert hatte mich allerdings der Krieger, der den Mord beobachtet hatte, aber nicht weiter darauf einging geschweige denn einzugreifen versucht hätte oder sonst irgendwas in der Art. Noch mehr geärgert hat mich, dass er fröhlich über das spätere Fest gejuckelt war und dabei trotz meiner Proteste auf den Einsatz von Taschendiebstahl bestanden hatte. Warum auch immer hatte er diesen Wert irgendwie im Positiven und bestand darauf, wenn es da stünde, könne er es auch und täte es entsprechend – mit Erfolg. Für diesen stehlenden adeligen Ritter mit Flöte gab es entsprechend zum Abschluss einen AP-Abzug. So derbe war der nicht mal, ich glaube, unter’m Strich kam er bei 10 Ap oder so weniger aus als der Meuchelmörder, aber der Spieler war stinksauer.

So sauer, dass er die gesamte Runde in Frage stellte und mich massiv kritisierte. Das war alles sowieso meist langweilig und zu wenig Action und nicht heroisch genug und überhaupt. Ich war baff, denn das alles hörte ich zum ersten Mal. Mich traf das alles auch ziemlich und auch, wenn ich keinen Millimeter von der AP-Vergabe, wie ich sie verkündet hatte, abwich, so ahnte ich da schon, dass das keine meiner guten Ideen gewesen war.

Schließlich hieß es, noch immer wütend und mit entsprechend hochrotem Kopf von ihm: „Und beim nächsten Mal leite ich, dann wirst du mal sehen. Das kannst nämlich nicht nur du, auch wenn du das vielleicht meinst!“

Ich stimmte zu. Und klar, wenn da mal Regelfragen war, würde ich aushelfen, kein Ding.

Ich wollte nicht, dass man mich so sah. Mir tat auch leid, dass er so wütend war, auch wenn ich das nicht verstand. Dann würde ich halt spielen, kein Problem, gibt nun wirklich Schlimmeres, als zu spielen statt zu leiten.

Und so wechselte ich einmal mehr hin zur Spielerseite. Wir spielten ungefähr einen halben Abend lang in dieser Zusammensetzung. Aber das … ist eine andere Geschichte …