Magiesysteme in RPGs und Fantasy-Literatur

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Ein Gastbeitrag von: 1of3

Magiesysteme sind nicht nur bei Rollenspielen, sondern auch in der Fantasy-Literatur ein Begriff; spätestens seit Brandon Sanderson seine drei Gesetze der Magie vorgestellt hat. Besonders die Begriffe harte vs. weiche Magie sind inzwischen beliebt. Ein hartes System in diesem Sinne macht sehr genaue Vorgaben, was Magie kann und was sie nicht kann.

Wie verhält sich das aber alles zu Magiesystemen im Rollenspiel? Barnes&Nobles listet D&D als jenseits einer selbstgewählten Härteskala von 1 – 10. Das ist völlig falsch, denn D&D sagt tatsächlich nie, was Magie kann und was nicht. Gleiches gilt für die allermeisten Rollenspiele, wo man „Magier“ spielen kann.

Warum die meisten Rollenspiele weiche Magiesysteme haben

Denn Magiesysteme bei Rollenspielen haben zunächst mal eine andere Aufgabe. Sie sollen nicht sagen, wie Magie in der Welt funktioniert, um Leser die weitere Entwicklung vermuten zu lassen, sondern sie beschränken, was ein SC mit den entsprechenden Befähigungen tun kann. Dies ist dann häufig durch den persönlichen Vorrat an Magiepunkten oder Slots eingeschränkt und durch die Spruchliste im Regelwerk. Nichts hindert dann aber die Herausgeber, beliebig weitere Sprüche in Quellenbänden herauszugeben, ohne dass für Konsumenten im Voraus absehbar ist, welche das sein könnten. Es gibt also gleichsam ein striktes System für Magier, aber nicht für die Magie an sich.

ua_2ndRollenspiele mit starkem Magiesystem im Sanderson’schen Sinne haben denn auch anders herum häufig relativ kompakte Regelsysteme für Magier. Hier ist z.B. Unknown Armies von Greg Stolze zu nennen. Magie ist entweder das Nachahmen eines kosmischen Archetyp, wie etwa dem Jäger oder der Königin, oder die Gewinnung magischer Ladungen durch gewisses suchthaftes Verhalten wie Trinken, Essen, Ficken oder übermäßigen Fernsehkonsum. Dabei passt die Beschreibung eines Avatar-Typs auf etwas mehr als eine Seite, die einer Magieschule auf etwas mehr als drei (in der deutschen Version). Kein Vergleich zu der Menge an Seiten, die im D&D-Grundregelwerk für Magier reserviert sind. Und anders als bei D&D-Klassen ist es für Unknown Armies ziemlich einfach, neue Adeptenschulen und Avatare zu entwerfen.

Auch Stolzes letztes Spiel Reign kann mit einem relativ harten Magiesystem aufwarten. Die Welt von Heluso und Milonda, in Fankreisen H&M, hat diverse regionale Magieschulen, die meist darauf basieren, eine kulturelle Technik mit einer bestimmten Klasse von Zaubersprüchen zu verbinden. So können Seelenschmiede Seelen in Waffen schmieden und Rauchformer können mit Fächern in Rauch herumfuchteln, um temporär solide Gegenstände zu erschaffen. Feuertänzer und Erdbeben-Trommler sind dann selbsterklärend. Die einzelnen Zaubersprüche für eine Magieschule zusammenzustellen ist hier allerdings mehr Arbeit als bei Unknown Armies. Das ganze verhält sich ähnlich wie z.B. eine Magieschule bei 7te See.

Wie man Magie in Rollenspielen härtet

Rollenspiele mit hartem Magiesystem schaffen es also ohne viele Regeln eine Erwartungshaltung dafür zu schaffen, was Magie kann, ohne schwergewichtige Mechanismen für den einzelnen Zauberwirker darüberzustülpen. Dies funktioniert, weil sie nicht eine potentiell allmächtige Magie auf Charakterebene herunterfiltern, sondern anders herum schon in der Weltbeschreibung, Magie nur ganz bestimmte Sachen tun lassen und sonst nichts. Das ist dann harte Magie im Sanderson’schen Sinne und hilft, konsistente Gesellschaften um diese Annahmen herum zu erschaffen.

Basierend auf diesem Gedanken hat mich nun der Gedanke umgetrieben: Können wir uns solche Magiesysteme im Rahmen einer Spielvorbereitung und im laufenden Spiel erzeugen? Die oben genannten Beispiele haben ihre Magiesysteme ja in Form von recht ausführlichen Weltbeschreibungen im Voraus festgesetzt. Für mein aktuelles Projekt, Rollenspiel an einer Zauberschule auf PbtA-Basis, habe ich mir daher Folgendes ausgedacht:

Das Regelwerk enthält einen Satz von beispielhaften Magieschulen. Von diesen werden im Rahmen von Charaktererschaffung und Spielvorbereitung einige in gewisse Kategorien sortiert: Fundamental, Fortgeschritten, Speziell, Verloren und Verboten. Fundamentale Bereiche werden den Schüler*innen an der Zauberschule zuerst beigebracht. Spezielle gibts als AG. Fortgeschrittene vielleicht in höheren Jahrgängen und Verlorene und Verbotene natürlich gar nicht. Im Spiel entwickelt die Gruppe dann zusätzliche Prinzipien und Grenzen der Magie. Hier drei Beispiele solcher Schulen:

Augurentum

Diese Schule erlaubt es, die zugrunde liegenden Prinzipien des Kosmos zu erkennen. Ein Augur scheint dabei häufig nach gewissen Hinweisen Ausschau zu halten, also in einem ganz einfachen Fall die Disposition eines Menschen aus seiner Körpersprache zu erkennen. Ein Augur könnte auch sagen: „Der Vogel in diesem Baum singt weniger laut als seine Artgenossen. Offenbar ist das Lager der Übeltäter ganz in der Nähe.“ Wenn Augurentum fundamental ist, werden andere Arten von Magie es erfordern, nach passenden Gelegenheiten zu suchen und auf die eigenen Gefühle zu hören.

Arkanomechanik

Unter Arkanomechanik fallen Ingenieursleistungen, die Magie als Material oder Ressource verwenden: Motoren, die mit gebundenen Elementaren oder Flüssig-Mana laufen. Einrichtungen, um Ley-Linien zu splitten und umzuleiten. Magische Kristalle, die Informationen speichern. Wenn Arkanomechanik fundamental ist, ist eure Magiergesellschaft wahrscheinlich in magischer Weise industrialisiert und andere Magie benötigt den gleichen Treibstoff wie eure Maschinen.

Biokinese

Biokinese handelt von der Manipulation lebendiger Wesen. Grundlegende Anwendungen sind beschleunigte Heilung oder das Stärken und Schwächen von Organismen, während fortgeschrittene Techniken ganz neue Arten schaffen können. Wenn Biokinese fundamental ist, hat eure Magierschaft wahrscheinlich sehr unterschiedliche Erscheinungsbilder entwickelt und andere Magie erfordert eine spezielle Anpassung, also zum Beispiel ein drittes Auge.