Emotion im Rollenspiel: Neid & Eifersucht

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Noch ein Artikel zum Karneval der Rollenspielblogs, diesmal Neid und Eifersucht als Emotionen.

Letztens habe ich noch irgendwo gelesen oder gehört (und weiß nicht mehr, wo und von wem), dass Neid etwas sei, das es am Spieltisch so an sich gar nicht gäbe und auch nicht wirklich umsetzbar oder spielbar sei. Das hat mich doch sehr verwundert, denn Neid und Eifersucht sind für einen meiner Charaktere eine der stärksten Antriebsfedern. In der nWoD wird Willenskraft zu einem Großteil über je eine für den Charakter grundsätzlich festgelegte Tugend und ein Laster regeneriert. Neid ist eins der Laster, und genau das hat besagter Charakter.

Im Grundregelwerk der Welt der Dunkelheit steht dazu: „Jedes Mal, wenn Ihr Charakter sich etwas aneignet, das für einen Rivalen von großem persönlichen Wert ist, oder Ihr Charakter dazu beiträgt, daß einem seiner Rivalen anderweitig Schaden zugefügt wird, erhält er einen bereits eingesetzten temporären Willenskraftpunkt zurück.

Zugegebenermaßen funktioniert das in der 1:1-Übertragung nicht so wirklich im Spiel, zumindest nicht meinen Erfahrungen nach. Das liegt aber auch daran, dass hier ein bisschen Neid mit Habsucht in einen Topf geworfen wird. Denn Neid bezieht sich nicht zwingend auf Rivalen. Es geht einfach darum, dass jemand etwas hat oder bekommt oder auf eine bestimmte Art behandelt wird – und das möchte man lieber selbst haben, bekommen oder so behandelt werden.

Darum habe ich auch Neid und Eifersucht zusammen in einen Artikel gepackt, denn wer neidisch ist, versucht darüber Defizite auszugleichen. Es handelt sich dabei um Leute, die ein geringes Selbstbewusstsein haben, die im bisherigen Leben auf irgendeine Weise „zu kurz“ gekommen sind, denen es an Anerkennung und Zuneigung fehlt. Und genau das ist Eifersucht: „eine schmerzhafte Emotion, die man bei einer nicht oder nur in ungenügendem Maße erhaltenen Anerkennung (Aufmerksamkeit, Liebe, Respekt oder Zuneigung) seitens einer hoch geschätzten – vor allem geliebten – Bezugsperson gegenüber einer damit tatsächlich oder vermeintlich stärker begünstigten verspürt“ (Wikipedia). Da wird jemand besser behandelt oder bekommt Dinge, die man selbst gern haben möchte – oder mehr davon.

Neidische und/oder eifersüchtige SC

Solche SC verbindet man schnell mit mangelnder Kooperation. Das kann so laufen, muss aber nicht. Gerade in Bezug auf die anderen Charaktere liegt der Schlüssel aus meiner Sicht vor allem darin, das Ganze nicht allein auf mögliche Folgen zu reduzieren. Aus Neid und Eifersucht können natürlich dramatische Szenen entstehen, können Intrigen gesponnen werden, kann es zu Handgreiflichkeiten, zu Verrat, zu Diebstahl kommen. Das ist alles sicherlich kritisch, dennoch: Die Grenzen des Charakters liegen im Zweifel immer noch in Händen des Spielers und im Notfall auf der Meta-Ebene. Wobei ich dazu sagen muss, letztere für das Spielen oben genannten Charakters noch nicht gebraucht zu haben, könnte mich zumindest nicht daran erinnern.

Wichtig ist, dass bei den anderen Charakteren – und vor allem Spielern – ankommt, dass mit diesen Handlungen mehr verbunden ist als eben beispielsweise Habsucht. Neidische und eifersüchtige Charaktere mögen schnippisch sein und arrogant, aber irgendwo in ihnen steckt sehr viel Angst. Angst davor, übersehen zu werden, nicht gemocht, nicht geliebt zu werden. Und diese Ängste gehören genauso ins Spiel wie Neid und Eifersucht an sich, um die Darstellung abzurunden, Ansätze zu bieten und kooperativ zu spielen – man darf nur beide Seiten nicht übertreiben und bei jeder Kleinigkeit hochgehen wie ein HB-Männchen.

Beispiel: Die SC unterhalten sich und der neidische/eifersüchtige SC wird nicht explizit nach seiner Meinung gefragt. Das wäre aus meiner Sicht Spieler-Gezicke, keine emotionale Darstellung. Denn der SC kann sich von allein einbringen, wie wichtig oder unwichtig das Thema nun sein mag. Wird er dann ignoriert und das vielleicht noch so, dass klar wird, dass man auf die Meinung des SC keinen Wert legt, dann wäre das ein Grund zu schmollen oder beleidigt rumzuzicken – sicherlich jedoch keiner, um gleich ein Attentat auf die Diskutierenden zu planen.

Ich finde, in der Runde, von der mein neidischer und eifersüchtiger Charakter ein Teil ist, haben das alle ganz gut raus, mit ihr umzugehen. Im Zweifel braucht es ein paar nette Worte und ein bisschen Diplomatie, dann ist auch gleich schon wieder gut, bevor irgendein Gezicke auch nur angefangen hat. Das funktioniert meistens und ich habe nicht den Eindruck, dass sich jemand dabei einen Zacken aus der Krone bricht – weder die anderen, die meinen Charakter beschwichtigen und im Zaum halten noch ich, darauf einzugehen und es dann auch gut sein zu lassen.

Neid und Eifersucht in Bezug auf NSC

Neid und Eifersucht sind für „Bösewichte“ natürlich wunderbare Antriebsmotoren, wenn man es eben doch intensiviert haben will. Kooperationsbereitschaft ist hierbei ja kein Problem. Ob nun einzelne Gegenspieler oder eine ganze Gruppe: Es lassen sich ganze Kampagnen auf Basis von Neid und Eifersucht kreieren.

Wirklich spannend wird es dann, wenn auch hier die Schwächen, also die Unsicherheiten des NSC, irgendwann zu Tage treten und das Bild abrunden, dadurch vielleicht auch einige moralische Fragen – in welcher Form und in welche Richtung auch immer – aufwerfen, wenn vermeintliche Antagonisten auf einmal doch nicht so schwarzweiß sind, wie man zunächst dachte. Was, wenn die SC plötzlich rausfinden, dass sie die ganze Zeit auf der „falschen Seite“ standen, weil ihnen einige Begebenheiten, Hintergrundinformationen usw. fehlten? Was, wenn die „richtige Seite“ dann aber doch trotzdem die unberechenbarere und vielleicht gefährlichere Option ist? Welche Bedeutung und welche Reichweite haben „richtig“ und „falsch“ vor so einem Hintergrund?

Neid und Eifersucht bei den Spielern

Auch das gibt es leider – und es ist schwierig. Zu möglichen Ursachen will ich mich da gar nicht auslassen, aber die meisten werden wohl schon mit Spielern am Tisch gesessen haben irgendwann, die krähen „Aber der hat letztes Mal das und das bekommen – und ich will auch!“ oder der Ansicht sind, Spieler X oder Spielerin Y bekommt viel von der Aufmerksamkeit, die man selbst eigentlich haben möchte – im schlimmeren Fall ohne zu merken, dass ein Großteil der Spielzeit bereits auf den kritisierenden Spieler entfällt und eben nicht auf jemand anderen.

Wer mit Neid und Eifersucht an den Tisch geht, hat nicht selten auch eine verschobene Wahrnehmung, der auch mit Spotlights nicht beizukommen ist. Man kann es versuchen, kann nach Erwartungen fragen, nach Wünschen, kann all dem entgegen kommen – aber man muss auch Grenzen setzen. Diese werden dann entweder akzeptiert und irgendwann kehrt (mehr) Ruhe ein, oder eben nicht. In dem Fall hat man dann einen Spieler am Tisch, der sich permanent ungerecht behandelt fühlt und vermutlich einige andere, die davon genervt sind.

Ich habe dafür bislang kein Patentrezept finden können. Damit muss man leben, wenn die Möglichkeiten (Gespräch, Spotlight) in angemessener Form erschöpft sind – oder sich von dem Spieler trennen, je nachdem, welche Auswirkungen sein Verhalten letztlich auf die Gruppe hat.

Neid und Eifersucht im „klassischen“ Sinn ist ebenso tödlich für Rollenspiele. Sitzen Leute am Tisch, die tatsächlich neidisch und/oder eifersüchtig aufeinander sind, kann man das gemeinsame Spielen eigentlich von vornherein vergessen. Das mag mal für einen One-Shot taugen, aber ich hab noch nie erlebt, dass damit eine ganze Kampagne durchgezogen werden konnte, jedenfalls nicht verlustfrei. Über kurz oder lang überträgt sich das Ganze ins Spiel, da kann man noch so sehr darauf pochen, In- und Outplay zu trennen, und dann hat man den Salat nicht nur, sondern steht mitten in der Schüssel. Ich hab schon erlebt, dass aus Antipathie ein neutrales Verhältnis wird und sogar Sympathie, wofür das gemeinsame Spielen tatsächlich maßgeblich war, doch das ist einfach nicht dasselbe wie Neid und Eifersucht.

Mag sein, dass gerade beim letzten Punkt jemand andere Erfahrungen gemacht hat oder da wasserdichte Lösungen parat hat – ich hab sie nicht.