Clawdeen liest: Fragged Empire, Teil 2: Charaktererschaffung

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Auf gerade mal 7 Seiten präsentiert Fragged Empire die Regeln zur Charaktererschaffung. Ganz so einfach ist es dann natürlich doch nicht, denn innerhalb dieser Seiten findet man irre viele Verweise auf weitere Seiten, die diesen oder jenen Begriff und was es damit auf sich hat, detaillierter erläutern. Im Falle der PDF-Version ist das Ganze zwar dankenswerter Weise im Text verlinkt, aber dieses Hin- und Hergespringe ist schon ein bisschen lästig.

Hinzu kommt, dass im Grunde nicht einmal, nicht zwei Mal, nein, ganze DREI Male hintereinander erklärt wird, wie das Ganze funktioniert. Einmal einleitend kurz und knapp, dann ausführlicher mit Textverweisen, und abschließend dann noch mal auf einer Art Piktogrammseite. Gerade letzteres finde ich ja irre gut am Regelwerk, weil sich dadurch auch visuell alles etwas besser einprägen kann, aber dummerweise haben diese drei Male mich eher verwirrt, als mich zu erhellen.

Clever, wie ich zu sein glaubte, habe ich also mal den Youtubekanal zum Spiel angeworfen (siehe letzter Artikel), der unter anderem in einem Video eine beispielhafte Charaktererstellung zeigt. Leider hat sich der Charakterbogen wohl im Verlauf noch geändert, jedenfalls sehen meine nicht so aus wie der im Video. Außerdem wird da gleich jemand auf Level 2 erschaffen, was mich auch misstrauisch macht. Hinterher hat sich zwar rausgestellt, dass ich auf das Misstrauen auch hätte verzichten können, aber sowas weiß man ja vorher noch nicht.

Spezies

Zunächst wählt man seine Spezies aus, wodurch man gleich ein „Racial Trait“ mitbekommt. Dadurch erhält man Boni und Mali auf bestimmte Skills, Maximalwerte, Fate, eine zusätzliche Sprache, aber auch unangenehme Sachen wie Vorurteile durch eine der anderen Spezies beispielsweise. Das schreibt man sich alles ab bzw. notiert es auf dem Charakterbogen, und dann hat man diesen Punkt auch schon erledigt.

Spannend ist übrigens, dass sich in der Tabelle hinten im Buch, aus der man die Speziesmerkmale übernimmt, vier weitere Spezies befinden, allerdings nicht mit den entsprechenden Boni und Mali, sondern mit dem Zusatz „data missing“. Mittlerweile wurden die Daten aber wohl wieder gefunden, denn genau diese vier fehlenden Spezies finden sich im „Protagonist Archive„, dem zuletzt via Crowdfunding feilgebotenen Quellenbuch.

Traits

Als nächstes überlegt sich man sich ein grobes Konzept. Was soll der Charakter besonders gut können oder was soll ihn auszeichnen?

Es gibt hinten im Buch Listen, aus denen man sich dann ein solches Trait aussucht, das den geplanten Charakter am besten repräsentiert. Diese Traits sind nach Kategorien unterteilt: Level (6), Ressources (7), Influence (5), Attribute (37; geordnet nach den einzelnen Attributen), Fate (7), Skills (weit über 100; geordnet nach Skills).

An Auswahl mangelt es also nicht und kurz erinnere ich mich daran, dass in der Einleitung davon die Rede war, sich spezialisieren zu können oder breit aufgestellt sein zu können. Du liebe Zeit, ja, da lässt es sich mal wirklich breit aufstellen! Allerdings ist die Anzahl an Traits pro Bereich auf 1-2 und insgesamt auf 10 begrenzt.

Die zu treffende Wahl kann man in 5 Minuten treffen, man kann aber natürlich jetzt auch 2 Stunden da sitzen und alles akribisch studieren, wenn man möchte. Letztlich tendiere ich wohl eher zu den 5 Minuten, denn mit jedem Level (alle 3 Sessions laut Buch) bekommt man auch ein weiteres Merkmal dazu beziehungsweise kann sich ein weiteres aussuchen. Und sollte man sich „verskillt“ haben, gibt es immer noch „Retro“ – aber dazu später. Und, ach ja, da bin ich gleich schon wieder im Computerspielvergleich. So ein Zufall. 😉

Jetzt frage ich mich natürlich, was man macht, wenn man Session 33 erreicht. Klingt nach total viel, ist es auch, aber eingangs hieß es ja, „Fragged Empire“ sei vor allem für längere/lange Kampagnen gedacht. Wenn ich nichts übersehen habe, erreicht man aber mit Level 10 (also nach 30 Sessions) das Maximum an zu vergebenden Traits. Hm.

Den Traits ist von den 7 Seiten insgesamt sogar noch eine separate Seite gewidmet, die nochmals genauer auf Funktion und Details von Traits eingeht.

Man muss beachten, dass manche Traits (gar nicht mal so wenige) Voraussetzungen haben, die man erfüllen muss (ach, echt!?), dass die Auswahl Sinn ergeben soll aus Charaktersicht, also die Persönlichkeit, Hintergrundstory oder Funktion unterstützen und den Charakter entsprechend bei der Repräsentation unterstützen sollen (hatten wir ja weiter oben im Artikel schon).

Zu Traits gehören auch elektronische und biologische Implantate sowie genetische Veränderungen. Sollten diese gewählt werden, muss der Charakter sich einer entsprechenden OP unterziehen, ebenso dann, wenn man dieses Merkmal austauschen will.

Einige Dinge gibt es auch zu beachten, wenn man einen Psioniker oder Roboter spielen will, denn wie bei den üblichen Speziesmerkmalen gibt es auch hier einige Vor- und Nachteile.

Ich hab in den Listen hinten im Buch das „Roboter“-Merkmal übrigens nicht gefunden, Psionik schon. Es gibt ein Trait, durch das man in Bezug auf Teilaspekte wie ein Roboter abgehandelt wird regeltechnisch in bestimmten Situation, aber ein entsprechendes Trait habe ich nicht entdeckt. Vielleicht hab ich es aber auch einfach (zwei Mal) überlesen.

Attribute

Auf die sechs gegebenen Attribute verteilt man insgesamt 18 Punkte, wobei jedes Attribut von 0-5 reichen darf. Hier ist es dann tatsächlich wichtig zu wissen, wofür die einzelnen Attribute eigentlich im Spiel stehen, also dazu auch noch ein paar Worte, ohne die selbsterklärenden Bedeutungen mit zu erklären:

Strength: bestimmt tragbare Größe von Waffen und Outfits sowie körperliche Widerstandskraft im Kampf

Reflexes: repräsentiert Nahkampfwaffenfertigkeit und das Vermeiden von Treffern

Movement: schlicht und ergreifend Bewegungsgeschwindigkeit

Focus: Mentale Stärke; für den Fernkampf, Regenerationszeit bei Erschöpfung und leichten Verletzungen

Intelligence: Initiative und Analyse der Gegner

Perception: Treffsicherheit im Fernkampf

Skills

Die Skills von Fragged Empire sind in Gruppen unterteilt: Primary Skills (die sich in „everyday“ und „professional“ aufteilen), Personal Combat Skills und Vehicle System Skills.

Bei der Charaktererschaffung wählt man aus den 16 Primary Skills 6 Stück aus, 2 von 4 Combat Skills und 2 von 4 Vehicle System Skills.

Unterschieden wird hierbei nur trained und untrained. Hat man einen Skill ausgewählt, gilt dieser als trained und bei Würfen darauf bekommt man +1 auf den Wurf. Hat man einen Skill hingegen nicht ausgewählt, ist dieser logischerweise untrained und man erhält -2 auf den Wurf. Würfeln darf man aber immer auf alles, nur der Modifikator macht also den Unterschied aus.

Wie sich später im separaten Skill-Artikel vermutlich auch noch mal zeigen wird, sind die gewählten Skills mit einer Gesamtzahl von 24 zwar relativ zahlreich, aber sie decken zugleich allesamt fokussierte Themen ab. Solche Freizeitskills wie häkeln, sticken und schnitzen gibt es nämlich nicht. Will man tatsächlich (warum auch immer) mal auf solche Sachen würfeln, muss man eben einen Skill suchen, der solche Bereiche am ehesten repräsentiert.

Was ich auch gut gelöst finde: Durch die Art der Punkteverteilung gibt es keinen Charakter, der so gar nicht kämpfen oder nichts mit einem Raumschiff anfangen kann. Wie gesagt, würfeln darf man immer, aber in jeweils zwei Bereichen stellt man sich auf jeden Fall ein bisschen besser an.

Resources und Influence

Diese Werte sind auf Level +2 Punkte festgelegt. Mit den Ressourcen erwirbt man Waffen und Ausrüstung, derweil Einfluss (Influence) für die Interaktion mit NSC(-Gruppen) und zur Instandhaltung eines Raumschiffs nötig ist.

Wichtig ist, dass diese Punkte zugewiesen und nicht ausgegeben werden. Sie repräsentieren also auf abstrakte Weise die Fähigkeit eines Charakters, eine bestimmte Qualität und Quantität von Ausrüstung zeitgleich instand zu halten und zu benutzen.

Spare Time Points

Auch hier sind die Startpunkte auf Level +2 festgelegt, und auch hier handelt es sich um einen abstrakten Wert. In diesem Fall stehen die Punkte stellvertretend für die Dinge, die ein Charakter in seiner Freizeit erlangt. Dabei kann es sich um Einkäufe handeln, um das Schachern mit Handelsgütern oder auch um Forschung.

Zur Charaktererschaffung kann man sie gegen Gegenstände von bis zu 14t (entspricht den Kosten bzw. dem beim Würfeln darauf zu erreichenden Mindestwurf) eintauschen, ohne darauf zu würfeln (was man im Spielverlauf müsste).

Level up & Retro

Alle 3 Sessions wird automatisch ein neues Level erreicht, wie schon beschrieben. Jedes Mal erhält man ein neues Merkmal (Trait) und steigen maximale Ressourcen und Einfluss um 1.

Retro wird die Option genannt, bei Erreichen eines neuen Levels ein einzelnes Trait, einen trained skill oder einen Attributspunkt zu verschieben.

Dabei sind noch einige Kleinigkeiten zu beachten, beispielsweise dass man dadurch Trait-Vorteile verlieren, aber Nachteile behalten kann. Die einzelnen Dinge, die es zu beachten gilt beim Tausch, sind allerdings schnell gezählt und auch einprägsam.

Fate

Das sind die mittlerweile üblichen Schicksalspunkte, die es auch in Fragged Empire gibt, und von denen man grundsätzlich mit 2 startet. Die kann man – wie aus anderen Spielen ebenso bekannt – für einen Re-Roll ausgeben, und zwar so viele, wie man will und hat. Wichtig ist, dass man sich nicht das bessere Ergebnis aussuchen kann, sondern der letzte Wurf gilt.

Außerdem kann man so einen Fatepunkt auch permament ausgeben, wenn man seinen eigenen Tod dauerhaft verhindern will. Gleiches gilt für das Raumschiff, das die Gruppe durch Ausgabe eines permanenten Fatepunkts von jedem sichern kann. Einerseits finde ich es ganz gut, dass für solcherlei Optionen im Regelwerk verankert sind. Auf der anderen Seite bin ich persönlich nicht so unbedingt Freundin von derlei Sicherheitsnetzen. Ich selbst würde es wohl innerhalb der Gruppe als optional absprechen.

Sprachen

Glatte 2 der 7 Seiten entfallen auf Informationen zu Sprachen, und zwar nicht nur auf die gängigen, die man eben auch bei den Beschreibungen der Spezies findet. Nein, da gibt es dann Vargartian (quasi Alt-Corp), Archon, Alt-Kaltoran, X’ion-Varianten und Psionik.

Ist ganz nett geschrieben, zumal bei jeder Sprache ein Absatz zu finden ist, wann, wo und wie man diese Sprache antreffen und auch gebrauchen kann. Es gibt also durchaus eine gewisse Spielrelevanz der Sprachen, die man durch Traits oder Research erlangen kann.

Was ich nur so gar nicht verstehe ist, was zum Geier diese 2 Seiten im Bereich der Charaktererschaffung zu suchen haben. Seine Sprachen bekommt man eh mit auf den Weg, und ja, man kann sich was mit Traits dazu holen, aber es gibt über 100 Traits, und da sind ja im Erschaffungskapitel auch nicht alle Besonderheiten gelistet.

The Good and the Bad

Zusammenfassend finde ich dieses so zentrale Kapitelchen mit 7 Seiten äußerst verwirrend und auch echt schlecht strukturiert. Dabei gibt es mit der „Piktogrammseite“, wie ich sie jetzt mal nenne, wirklich eine gute Zusammenfassung, wie die Erschaffung so funktioniert. Viel mehr hätte da gar nicht dazu gehört.

Auch wenn manches wirklich drei Mal erklärt wird, es ein paar Beispiele und Seitenverweise zur besseren Auffindbarkeit gibt, wirkt das Kapitel auf mich wenig fokussiert und eher beliebig (z.B. die Sprachen im Detail).

Setzt man sich allerdings mit Charakterbogen und Zettel hin und versucht, gleich bei der Lektüre einen Charakter zu erschaffen, stellt man fest, dass das relativ fix geht und noch mal fixer, wenn man die Basisbegriffe halbwegs verstanden hat. Lücken bleiben allerdings, denn seine Ausrüstung erwirbt man beispielsweise erst irgendwann später, und auch die abgeleiteten Begriffe, die man in sein „Combat Sheet“ einträgt, werden in diesem Kapitel noch gar nicht thematisiert.

Der Charakterbogen an sich ist auch mindestens mal gewöhnungsbedürftig. Für das Eintragen der Traits ist kein gescheiter Platz vorhanden (anders als im Youtubevideo zum Spiel), die Felder sind sehr klein und die Schrift teils noch kleiner. Ich hoffe sehr, dass man sich da nicht irgendwann selbst was basteln muss, sondern es noch alternative Charakterbögen geben wird oder zumindest die in deutscher Sprache später vernünftiger aussehen und auch sinnvoller zu nutzen sind.

 

Hier geht es zum Einleitungsartikel zu Fragged Empire – oder ihr schaut einfach mal in die entsprechende Kategorie.