Spaßquelle Barbie-Spiel

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Einen hab ich noch … im Eröffnungsartikel zum Karneval der Rollenspielblogs im September mit dem Thema „Spaßquellen im Rollenspiel“ wird unter anderem ein Artikel von November 2011 verlinkt, der sich mit dem „Barbie-Spiel“ beschäftigt. Der wiederum fußt auf zwei Threads im Tanelorn-Forum, in denen das mal aufgekommen ist – beide sind im Artikel verlinkt. Den Artikel hab ich vor einigen Monaten schon mal gelesen und hatte da schon überlegt, etwas dazu zu schreiben. Jetzt nutze ich die Gelegenheit einfach mal.

Zunächst mal zur Definition:

In den einzelnen Diskussionen und Kommentaren zum Thema geht aus meiner Sicht an verschiedenen Stellen etwas durcheinander, auch verwundert mich der konkrete Systembezug (DSA, auch wenn die WoD, durchaus mitsamt „brain damage“-Image an irgendeiner Stelle des Ganzen, als weiteres Beispiel, aber eben merklich regelärmeres, ebenfalls genannt wird). Darum setze ich also mal lieber an den Anfang des Artikels, was dieses „Barbie-Spiel“ meinem Verständnis nach ist.

Als „Barbie-Spiel“ wird hier verstanden, was insbesondere zwei Merkmale erfüllt:

  1. Der Spieler beschäftigt und bespaßt sich umfassend allein mit seinem Charakter in einem Maße, dass das Gruppenspiel als solches sekundär wird
  2. Der Spieler versucht sämtlichen Hintergrund des Charakters mit Spielwerten auszupolstern, und seien sie noch so sinnlos bzw. ist die Wahrscheinlichkeit, dass je darauf eine Probe verlangt wird, auch noch so gering.

Und auf dieser Basis kann ich mich dann an der Stelle gleich mal outen: Ja, ich mag das „Barbie-Spiel“!

Selbstbespaßung

An dem Punkt driftet die Diskussion schon auseinander. Ist das jetzt schon Barbie-Spiel, wenn man sich zwischen den Sessions überlegt, was man als nächstes plausibel (!) steigert, wenn man sich Gedanken um mögliche weitere Schritte macht, vielleicht gar plant, was man als nächstes einkaufen will? Ich glaube, darum geht es gar nicht so unbedingt, sondern vielmehr um das Maß der Dinge.

Bekanntermaßen sind die meisten meiner Charaktertagebücher lang, und das sind sie deswegen, weil sie eben nicht nur eine Nacherzählung der Geschehnisse umfassen, sondern ein Teil der Charakterentwicklung in die Tagebücher einfließt. Im Nachhinein überlege ich also, wie sich ein bestimmtes Ereignis auf den Charakter auswirkt, zu welchen Gedanken oder Plänen ihn das veranlasst, ob und welche emotionale Auswirkungen das wohl hat. Und wenn es passt, dann überlege ich mir Sequenzen, die ich schlüssig finde und baue sie ein. Das sind dann Inhalte, die im Tagebuch stehen, die „passiert“ sind, am Spieltisch allerdings gar nicht stattfanden. Und das muss nicht „sinnvoll“ sein. Vielleicht ist es das und erklärt das Verhalten einer später gespielten Szene genauer, vielleicht nutze ich die Lücke, um eine bestimmte Steigerung von irgendwas nochmals zu untermauern, vielleicht setze ich damit einen (individuellen) Plothook, den man dann später aufgreifen kann oder nicht, vielleicht streicht mein Charakter in den zwei Tagen auch einfach nur seine Wohnung neu.

Und weil man Barbie ja nicht nur alleine spielen kann, nutze ich solche Lücken auch gerne, um Sequenzen mit einzelnen Spielern zu spielen. Dann rufe ich einfach mal Charakter X an oder bitte Charakter Y um ein Gespräch. Das kann heißen, dass man 1:1 spielt, als Duo mit SL oder einfach nur Texte hin und her schreibt, je nachdem. Und das können Sequenzen sein, die ausgespielt gerade mal eine Viertelstunde in Anspruch nehmen oder solche, in denen man auch mal ein paar Stunden „zwischendurch“ auf diese Weise spielt.

Abgesehen von diesen Dingen kann man dann noch die xte aufgehübschte Version eines Charakterbogens zwischen den Sessions anlegen, kann eine Grundrisszeichnung der eigenen Wohnung anfertigen, kann sich genauere Details zur Durchführung eines Rituals oder so etwas überlegen und und und.

Tatsächlich gab es Sessions, in denen ich dachte, dass ich jetzt eigentlich lieber alleine mit dem Charakter was auch immer machen würde, ich also innerlich durchaus die Selbstbespaßung über das Gruppenspiel gestellt habe, gerade dann, wenn ich im Gruppenspiel nichts entdeckt habe, von dem ich das Gefühl hatte, zwischen den Sessions etwas (mehr) daraus machen zu können. Und das entspricht dann vermutlich

Das Verhältnis von gemeinsamem Spiel und Beschäftigung abseits des Spieltisches kann sich da nahezu umkehren – die Spielrunde füttern die eigene Beschäftigung mit dem Char davor und danach.

Auswirkungen von Selbstbespaßung

Auch hierzu ein Zitat, diesmal aus der Diskussion zum Thema im rsp-blogs.de-Forum von Coldwyn:

Irgendwie wirkt dass dann auf mich als wären Charakter und tatsächliches Spielgeschehen nie wirklich synchron.

Ja, das kommt vor, stimmt. Coldwyn ging dabei allerdings davon aus, dass Barbie-Spieler „vorbauen“, also sich bezogen auf die Gruppenspielinhalte schon weiter nach vorne bewegen. Das kann ich für mich zumindest verneinen, das mache ich in einem Maße selten, dass ich behaupte, dass es jedem mal so geht. Irgendwann steht man eben da und sagt solche Dinge wie „Ich hab mir mal überlegt … also beim nächsten Mal …“ oder ähnliches. Das ist allerdings aus meiner Sicht auch kein Vorbauen, sondern ein Überdenken von Optionen, denn das, was man da anspricht, das plant man ja für die Zukunft und setzt nicht voraus, dass es zwischen den Sessions geschieht.

Probleme mit der Synchronizität liegen aus meiner Sicht im unterschiedlichen Maß an Reflexion der letzten zurückliegenden Session/Ereignisse. Es kann also durchaus sein – und ist meiner Erfahrung nach häufiger der Fall -, dass man durch die immense Beschäftigung mit dem Geschehen im Gruppenspiel „weiter“ ist als andere, dass man Inhalte also deutlich umfangreicher verdaut hat, eine sehr differenzierte Einstellung zu einem NSC gewonnen hat oder durchaus auch Aspekte des Metaplots, falls es einen gibt, auf seinen Charakter zugeschnitten hat, abgeglichen hat, was der Charakter davon weiß, welche Schlüsse er aus welchen Informationen zieht und welches Verhalten sich daraus (im nächsten Gruppenspiel) ableiten könnte. Das kann zu Verwirrung führen, wenn so ein Charakter entsprechend abgerundet und klar auftritt und die anderen (Spieler, nicht Charaktere) nicht unbedingt wissen, worauf sich das begründet, woher ein Sinneswandel kommt oder wieso der Charakter plötzlich über so viele Argumente mehr verfügt.

Alles eine Frage der Balance, wie immer. Wenn man durch solche Sachen Plots sprengt, ist das unschön, unkooperativ und behindert mittelfristig den Spielspaß der anderen. Aber wenn es das nicht tut, dann kann das einerseits positiv erlebt werden von anderen (gibt schließlich genug, die sich gerne „mitnehmen“ lassen), ist vor allem aber meiner Ansicht nach nicht verwerflich. Wenn ich mich zwischen den Sessions intensiv mit dem Geschehen, mit Personen, mit was auch immer zum Spiel gehörende beschäftige und andere tun das nicht, wieso soll das dann gleich ein „Fehler“ meinerseits sein? Einfach auf dem Mehrheitsprinzip beruhend oder wie?

Barbie im Gruppenspiel

Das Beispiel eben zeigt schon, dass Barbie-Spiel sich durchaus auf das Gruppenspiel auswirkt. Sehr irritierend finde ich allerdings, dass vor allem nervige Aspekte, die Barbie-Spielern vorgeworfen werden, auftauchen. Da ist ein Barbie-Spieler jemand, der stundenlang den Einkauf ausspielen will und abseits dessen eine Variante von „Mein Charakter ist halt so“. Beides sehe ich gar nicht so, teils sogar im Gegenteil.

Weil ich mich zwischen den Sessions so umfassend selbst mit dem Charakter bespaße, binde ich mit genau diesen Solo-Aktionen wie einem Einkauf überhaupt gar keine Zeit im Gruppenspiel. Wenn ich nämlich weiß, dass in einer der nächsten Sessions eine große Stadt erreicht wird, in der ich unendlich viel und gut einkaufen kann, dann hab ich in der Zeit bis dahin längst 3x festgelegt, was genau ich kaufen will, warum, wo, von mir aus in welchen Farben und in welcher Qualität, wie viel ich auszugeben bereit bin, wie ich die Sachen transportieren will und so weiter. Eventuell soll ich 1-2x würfeln um herauszufinden, ob ich schwerer zu bekommende Sachen überhaupt finde oder wie gut ich verhandle und dann bin ich durch. Zeitaufwand: Vielleicht drei Minuten, vielleicht fünf, wenn ich am Tisch genauer ausschmücke, was ich alles einkaufe und beschreibe. Der Alrik nebenan, der hatte aber keine Zeit, sich auf den anstehenden Einkauf einzustellen, hatte keine Lust, hat vielleicht beim letzten Mal gefehlt oder hat den Bogen im Vorfeld nicht geschlagen von „Großstadt = Einkaufsmöglichkeit“. Der sitzt dann also da und will ausspielen, derweil er sich parallel überlegt, was er wohl noch so kaufen könnte. Und wenn man es dann endlich geschafft hat und im Begriff ist, die Stadt zu verlassen, dann kommt sowas wie „Oh, Moment, ich wollte doch noch …!“ Das ist nicht der Barbie-Spieler, der da Zeit bindet.

„Mein Charakter ist halt so“ ist da schon schwieriger zu betrachten. Ja, gerade wenn man so unglaublich viel Zeit zwischen den Sessions mit dem Charakter verbringt und ihn liebevoll ausstaffiert, kennt man ihn schnell wie die eigene Westentasche, um es mal so zu sagen. Vorteil ist, dass man selten nachdenken muss beim Gruppenspiel, wie der Charakter hierauf und darauf nun vermutlich reagieren würde, denn man weiß das quasi automatisch. Gleichzeitig ist es nicht unwahrscheinlich, dass vom Barbie-Spieler dann sowas kommt wie „Öhm, das kann mein Charakter nicht machen, weil …“ oder „also für meinen Charakter passt das gar nicht, der ist da überhaupt nicht mit einverstanden, darum greift der deinen Charakter jetzt an“ oder irgendwas in dieser Richtung. Und ja, das bindet dann tatsächlich Spielzeit.

Die Frage ist aber, was ist denn an „Mein Charakter ist halt so“ so unglaublich nervtötend? Eigentlich kritisiert man doch nicht, dass jemand sich Gedanken um seinen Charakter macht, möglichst plausibel/nachvollziehbar/realistisch spielen will oder so etwas. Man kritisiert, dass diese Aussage als Ausrede genutzt wird, um unkooperatives Spielen zu rechtfertigen, anderen vor den Karren zu fahren, über Gebühr Spielzeit für sich zu ziehen. Und aus meiner Sicht ist das etwas, was nicht zwingend an Barbie-Spieler gekoppelt ist. Oh, es gibt bestimmt einige, auf die das zutrifft – aber wie bei allen möglichen anderen Dingen geht es eben auch anders. Wenn sowas vorkommt (und das ist mir in einer Spielrunde in den letzten Sessions tatsächlich öfter passiert), dann kann man aber verschiedene Arten mal zur Meta-Ebene wechseln und sagen: „Hm, das ist jetzt für meinen Charakter problematisch, weil … und ich denke, der würde jetzt … Dein Charakter hat doch so einen guten Draht zu meinem, vielleicht bekommt er das mit und …“ oder irgendwas in der Art. Ja, ein bisschen Spielzeit bindet auch das – aber die hat der Barbie-Spieler ja dann zum Beispiel beim Einkaufen gespart oder bei zielgerichteten Kontakten/Gesprächen zu NSC. 😉

Gerade, nachdem mir das in den letzten Sessions jedoch wiederholt passiert ist, dass ich quasi auf so etwas zurückgreifen musste, setzt meine Beschäftigung mit dem Charakter zwischen den Sessions da einen besonderen Fokus, will heißen, ich überlege mir, wieso der Charakter etwas vielleicht doch tun könnte, dem er zuvor ablehnend gegenüber stand, wieso er auf einmal doch in Situationen gelassen reagieren könnte, obwohl er beim letzten Mal dabei kurz vor dem Ausflippen stand, wieso er mit einem anderen SC interagiert, obwohl er beim letzten Mal Stein und Bein geschworen hätte, niiiiie wieder das Wort an ihn zu richten . Ich mache das, weil ich ja eben auch mit den anderen zusammen spielen will, weil ich zwar meine Barbie behalten will, aber dennoch niemanden unnötig ausbremsen oder Dinge unmöglich machen möchte – und am besten mache ich das, wenn ich dafür allein Lösungen suchen, finden und in Bälde präsentieren kann, mit denen alle gleichermaßen prima leben können, anstatt das alles inplay durchkauen oder durchziehen zu wollen.

Barbies sind Luschen!

Da heißt es

Wenn man BEGRENZTE Ressourcen (wie Level-Ups, Charakterbastelpunkte usw.) für absehbar vollkommen SINNLOSE und in den Spielsitzungen absehbar NIE zur Anwendung kommende Eigenschaften einsetzt, dann taugt entweder das Regelsystem nichts oder der Spieler ist eine LUSCHE!

(…)

Ein Regelsystem, daß hier KOSTBARE (weil beschränkte und auch für essentiell wichtige Dinge notwendige) Charakterressourcen für „Accessoir-Fertigkeiten“ erfordert, das TAUGT NICHTS.

Und ein Spieler, der seine KOSTBAREN Charakterressourcen für absehbar UNNÜTZE Eigenschaften ausgibt und damit seinen Charakter zu einer LUSCHE macht, der TAUGT AUCH NICHTS.

Barbie-Spieler sind per se KEINE LUSCHEN-Spieler. – Das bitte nicht verwechseln oder vermischen.

Dem letzten Satz stimme ich natürlich in erster Linie von Hause aus zu, klar. Ob ein Regelsystem, das Ressourcen verschwendet, überhaupt irgendwas taugt, sei mal dahin gestellt. Die meisten Systeme haben ihre Stärken und Schwächen, die einen mehr hiervon, die anderen mehr davon, die Geschmäcker sind unterschiedlich, von daher taugt ein System vielleicht trotzdem (oder aus Sicht des Barbie-Spielers gerade deswegen?). Wenn ein System diese Ressourcen „verschwendet“, dann ist das auch nicht grundsätzlich problematisch, weil diese Option oder Erfordernis ja allen Spielern offen steht. Problematisch ist vielmehr, dass einer sich dann eher im Min-/Maxing übt, während der andere Häkeln steigert. Das führt mit der Zeit natürlich zu einem Ungleichgewicht. Während der eine Charakter also einen Gegner mit zwei Hieben in Scheiben teilen kann, steht der mit dem Häkelzeug erst mal dumm daneben.

Man muss aber auch sehen, dass dem Spieler mit dem „optimierten“ Charakter die Nummer mit dem Häkelzeug möglicherweise ganz recht ist, denn würde der andere da jetzt noch mit seinem Häkelzeug angreifen, bleibt ja weniger Heldenfeeling für den anderen (oder ergibt noch mehr, weil der Kampfcharakter jetzt nicht mehr nur den Gegner besiegen, sondern den Kollegen noch aus seiner Wolle befreien muss).

Beginnt man eine Runde mit einer Ansage wie „Jeder sollte einigermaßen gut kämpfen können und der Fokus der Runde liegt vor allem auf coolen Actionszenen und ein bisschen Detektivkram“ und jemand startet dann in so einer Runde mit Meisterhäkelei, hat aber kampftechnisch so wirklich gar nichts drauf (die Punkte reichten nicht aus …), dann ist das womöglich auch ein Barbie-Spieler, in erster Linie ist es aber ein unkooperativer Spieler. Beides kann zusammen auftreten, muss aber nicht. Das zu behaupten ist so, als würde man sagen, Powergamer seien grundsätzlich schlechte Rollenspieler. Ach, Moment, das gibt es ja schon …

Flexibilität des Barbie-Spiels

Das Schöne am Barbiespiel ist, auch das taucht in den Diskussionen dazu einige Male auf, dass es kaum begrenzt ist auf irgendwelche Sachen. Klar, ich als Spielerin mag bestimmte Sachen besonders gern oder gar nicht gern, aber grundsätzlich mag ich vor allem eine gewisse Abwechslung bei Themen und Plots. Ob wir da nun wegen Spieler A was Detektivisches spielen und danach Spieler B zuliebe was Actionreiches, ob danach Spieler C was Politisches einbringt und dann erst wieder Spieler A dran ist mit irgendwas Thematischem, bevor ich „an die Reihe komme“, ist mir eigentlich ziemlich egal. Ich freue mich darüber, separaten Raum zu bekommen im Spiel, aber ich brauche den nicht wirklich. Was ich brauche sind Szenen, auch kleine Ereignisse, aus denen ich für meinen Charakter etwas machen kann. Ich bringe mich lieber 10x für fünf Minuten ein als einmal 50 Minuten am Stück. Nicht missverstehen: Ich nehme auch gerne mehr Zeit für mich in Anspruch, aber ich brauche sie eben nicht, wenn ich mehr aus den gespielten Inhalten für mich ziehen kann.

Und ich kann auch anders als nur Barbie. Gibt die Runde das vor, kann ich meine Barbieanteile runterfahren und achte dann stärker darauf, plotorientiert zu bleiben und auch entsprechend zu steigern beispielsweise. Soll das Spiel direkt so starten, verzichte ich auch auf „Hobbyfertigkeiten“ für’s Erste und verteile meine Punkte zielorientierter. Kann mir sogar durchaus Spaß machen. „Optimierte“ Charaktere kann ich nicht erstellen, kriege ich einfach nicht hin, aber man merkt doch deutlich den Unterschied zwischen Charakteren, bei denen ich mir Barbiespiel erlaube und solchen, bei denen ich das aus unterschiedlichen Gründen nicht tue, finde ich.

Die Leiden eines Barbie-Spielers

Auch wenn es hier um Spielspaß mit dieser Spielart geht, hat sie auch aus meiner Sicht Nachteile oder zumindest Aspekte, die schon irgendwie negativ sind, wenn man sie so sehen möchte. So habe ich einen Charakter, den ich mangels konkreterer Vorgaben und Einblicke in die anderen Charaktere vorab quasi „verbaut“ habe. Das wenige, das dieser Charakter konnte, hatte keine Relevanz im Spiel beziehungsweise passte nicht zum Spielstil. Nachdem ich mich also eine Weile darüber geärgert hatte, habe ich versucht, durch die Ausgabe von Erfahrungspunkten an diesem Umstand etwas zu ändern. Ich sah eine Lücke, die ich möglicherweise füllen konnte und investierte entsprechend hinein. Eine Zeit später stellte sich heraus, dass der Charakter seine Schwerpunkte dann jedoch wohl doch eher woanders haben sollte (sowohl aus dem Gruppenspiel als auch der alleinigen Beschäftigung abgeleitet), woraufhin die nächsten Erfahrungspunkte eher in diese Richtung gingen. Ich rede hier nicht von der generellen Lernkurve oder Entwicklung eines Charakters, sondern wirklich von „Verskillung“ im Grunde.

Tja, und heute steht da ein Charakter mit etwas mehr als 300 Erfahrungspunkten (WoD), der zwar so einiges kann, aber nichts so richtig. In Bezug auf Auseinandersetzungen macht das schon einiges aus. Bei sozialen Auseinandersetzungen kommt der Charakter noch zurecht, mental wird es schwerer, physisch unterirdisch. Wohlgemerkt: Wäre das kein so lange gespielter Charakter mit so vielen EP, wäre er diesbezüglich sogar ziemlich gut. Aber während ich einem verskillten Charakter mehrfach eine eindeutige Richtung zu geben versuchte (ohne zu häkeln übrigens) und alles ein bisschen wischiwaschi ausbildete, sind andere Charaktere zu deutlich stärkeren geworden. Entsprechend richten sich auch die üblichen Gegner eher an der Stärke der anderen aus und nicht an meiner, was letztlich dazu führt, dass ich mit meinen Aktionen, welchen auch immer, oftmals von vornherein zum Scheitern verurteilt bin.

Nun mag ich diesen Charakter nicht aufgeben, also kam neulich die Idee auf, den Charakter neu zu generieren. Jeder in der Runde darf einmal von sich aus (also ohne besondere Inplay-Umstände) den Charakter wechseln, und zwar mit den bisher mit dem anderen Charakter erhaltenen Erfahrungspunkten. Und der Gedanke war nun, meinen Charakter neu zu erstellen und damit mein „Freilos“ abzugeben, nur eben nicht für einen anderen Charakter, sondern quasi denselben. Ich fand die Idee gut. Es wäre noch derselbe Charakter, der Schwerpunkt besteht seit längerem, könnte entsprechend verstärkt werden und andere Aspekte aus Anfangszeiten, die seit Ewigkeiten keinerlei Relevanz im Spiel hatten (weder inhaltlich noch würfeltechnisch) würden entfallen.

Ich hab mich mehrmals hingesetzt, um genau diesen Vorschlag umzusetzen, aber es geht einfach nicht. Ich bin unfähig, einen Skill wegzulassen, den ich vor 25 Sessions oder so genau ein einziges Mal benötigt habe oder selbst einen, den ich noch nie benötigt habe. Ich sehe nicht die darauf verteilten Punkte, sondern das, was ich mir dabei gedacht habe, wie es in den Hintergrund eingeflossen ist, zumindest gedanklich Raum zwischen den Sessions hatte. Gleichzeitig sehe ich, dass das Spielen viel einfacher werden könnte, wenn ich mich zu diesem Neubau durchringen könnte. Für mich, für die anderen vielleicht, auf jeden Fall für den SL. Und da stoße ich an meine Grenzen, an meine Barbie-World-Grenzen:

Ich kann das einfach nicht tun. 🙁

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