Inspirationen aus der Kindheit I – Labyrinth

Dieser Blogartikel gehört nicht direkt zur „Retro“-Reihe, die sich mit früheren Rollenspielerlebnissen beschäftigt. Vielleicht wird es eine eigene kleine Reihe, mal sehen. Auf jeden Fall werden es drei Teile.

Eins unserer Familienspiele zu meiner Kindheit war „Spiel des Wissens„. Und man soll es nicht glauben, aber alle Hobbit-Fragen wurden stets aussortiert, weil keiner von uns „Der kleine Hobbit“ kannte, und auch nicht seinen Erschaffer oder „Herr der Ringe„. Bei uns zu Hause gab es Astrid Lindgren, Die Rote Zora, Tom Sawyer & Huckleberry Finn und, immerhin, Captain Future. Das Phantastik-Interesse bei uns reduzierte sich auf meinen Vater, und bei ihm lang auf die Perry Rhodan-Silberbände.

Und dennoch gab es Filme, die mich vor allem im Hinblick auf das Rollenspielhobby geprägt haben. In diesem Artikel geht es um den ersten von dreien, die für mich besonders waren.

Through dangers untold and hardships unnumbered

Die Reise ins Labyrinth“ von 1986 – mit Jennifer Connelly und, vor allem: David Bowie in der Rolle des Koboldkönigs (bzw. Goblin Kings).

Ich habe diesen Film vom ersten Moment an geliebt damals. So sehr, dass ich Hörspielcassetten opferte (bin mir nicht mehr sicher, ob ich kurzerhand die „Bibi Blocksberg„-Folgen oder „She-Ra, Princess of Power“ mit Tesa überklebt habe, um mit meinem Kassettenrecorder neben dem VHS-Gerät aufnahmebereit zu stehen), um diesen Film in ein Hörspiel zu verwandeln. Und dieser Film war der erste, den ich vollständig auswendig aufsagen konnte. Komplett. Und zu großen Teilen kann ich es immer noch, wie ich neulich feststellte, als ich ihn ein weiteres Mal ansah.

Schon allein VOR dem Labyrinth der im Stehen pinkelnde Hoggle, der süße kleine Pixies abknallte, die sich dann als bissig herausstellten. Das war selbst als Kind für mich schon großartig anders, und ich finde, das bleibt auch heute noch erhalten.

Ein Labyrinth, eine Welt, in der die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen, und wo man die Dinge nicht als selbstverständlich annehmen sollte. Ist das nicht auch ein großartiges Credo für Rollenspieler und Fantasy-Fans an sich? Ein überraschend gegen irgendwas immunes Monster, eine Wand, die sich erst auf den zweiten Blick als solche entpuppt, ein sympathischer Helferling, der seinen Tipp („Geh auf keinen Fall da lang!„) aus seinen eigenen Vorstellungen heraus abgibt, die nicht unbedingt mit der der Helden überein stimmen muss.

Rätsel auf dem Weg, taube oder nuschelnde Türklopfer, der magische NSC mit dem sprechenden Hut, die Steine herbei rufende Bestie (der Felsmagier/Elementarist), die „helfenden“ Hände und sprechende Steine … oder denken wir nur an das zugleich großartige und widerliche Moor des ewigen Gestanks!

Jim Hensons Goblins, die durchaus einige Varianten zeigen, eine Uhr mit dreizehn Ziffern, ach, das Labyrinth an sich … oder der Maskenball, fast etwas zu „menschlich“ ausfallend, an den ich auch jedes Mal denken muss, wenn ich das Cover von „Winter Masques“ (Changeling, the Lost) sehe. Zahllose Details wie die „Aufräumer“ im Burgverlies, kleine Männchen unter Pflastersteinen, die den Stein umdrehen, nachdem man mit Lippenstift den Weg darauf zu markieren versucht hat, begeistern mich immer und immer wieder.

Und was habe ich nicht schon alles gehört an Theorien, worum es in diesem Film „eigentlich“ gehen soll. Ist es nun ein Film über das Erwachsenwerden? Ein Film über die verquere Liebe und das Verlangen eines Koboldkönigs („I moved the stars for no one …„)? Oh, selbst eine für mich äußerst abstruse Theorie zum Thema Missbrauch habe ich auch schon entdeckt. Seltsame Beziehungen auch als Argument für „Just fear me, love me, do as I say and I will be your slave“ – oder Drogenkonsum. Letztlich bleibt: Offenbar bietet der Film eine riesige Bandbreite dessen, was man hinein interpretieren kann und auch, inwiefern man sich mit dem Film in irgendeiner Form identifizieren kann.

Dieser Film begeisterte mich damals für den jüngst verstorbenen David Bowie. Er sorgte dafür, dass ich Jim Henson schon recht früh nicht nur mit der Sesamstraße und der Muppet Show verband. Und er sorgte dafür, dass ich mir etliche Jahre später Bücher von Brian Froud anschaffte und in seinen Illustrationen schwelgte. Als ich 18 wurde, war eine der Froud-Faeries tatsächlich auch das erste Tattoo, das ich mir stechen ließ.

„That’s not fair!“ – „You say that so often. I wonder what your basis for comparison is?“

Den Tod von David Bowie haben sehr viele Menschen aus sehr unterschiedlichen Gründen bedauert. Und es gibt auch sehr vieles zu und über ihn zu sagen, über sein künstlerisches Werk. Mein Freund, der meine Begeisterung für diesen Film kennt, brachte auf den Punkt, was es vor allem für mich bedeutete und für meine Erinnerungen an David Bowie. Als die Nachricht publik wurde, sagte er zu mir: „Tanja? Der Koboldkönig ist tot.“