Wie gruppenfähig muss ein SC sein?

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Der RPG-Karneval für April ist ja mittlerweile logischerweise rum, aber eins der dafür vorgeschlagenen Themen hat mich ja doch ziemlich beschäftigt. Darum schreib ich einfach mal was dazu, also: Wie gruppenfähig muss ein Spielercharakter sein?

Oder erst mal einleitend, warum mich das überhaupt so beschäftigt hat. Meine spontane Antwort dazu war: „Absolut!“ Ich hab mich sogar über die aufgeworfene Frage gewundert, weil mir das so selbstverständlich erschien, gruppenfähige Charaktere zu entwerfen.

Jetzt ist aber die nächste Frage: Was meint denn „gruppenfähig“?

Rollenspiel ist ein Gruppenspiel, also One-man-show-Charaktere haben darin für mich schlichtweg nichts verloren. Das heißt aber nicht, dass sich alle sonstwie lieb haben müssen auf Charakterebene. Da unterscheide ich nämlich in zwei verschiedene Kategorien, zu denen ich jetzt gleich noch was schreibe. Ganz essentiell zu unterscheiden ist bei diesem Thema außerdem, ob man strikt über Gruppenfähigkeit von Charakteren oder von Spielern spricht. Beides ist leider nicht immer so sauber voneinander zu trennen, wie man meinen oder annehmen könnte.

Alle haben sich lieb!

Ja, ja, ich sehe schon gerümpfte Nasen … muss aber nicht sein. Man kann durchaus spannende Geschichten zusammen erleben, wenn es innerhalb der Gruppe gar keine Konflikte gibt, wenn man also nicht einfach „nur“ ein paar Verknüpfungspunkte setzt, sondern die SC tatsächlich zusammen halten wie Pech und Schwefel. Prädestiniert für sowas sind aus meiner Sicht Systeme wie „Werwolf“ (egal, ob oWoD oder nWoD), wobei es sich um ein Rudelspiel handelt. Und wie Nin letztens aus meiner Sicht treffend bemerkte: „Das Rudel ist alles – und ohne das Rudel ist nichts“. Sehe ich genauso. Aber man muss kein System spielen, das auf genau solche Konstellationen quasi ausgerichtet ist. Das geht in und mit jedem System, ja, auch bei Shadowrun und ja, auch bei Vampire. Grundlage solcher Runden ist dann einfach ein „Wir gegen den Rest der Welt“. Ob die Charaktere sich nun schon ewig kennen, dieselben Feinde haben, dieselben Ziele verfolgen … die Konflikte kommen durchweg von außen.

Stopp! In den meisten Fällen braucht es auch hier erst mal 2-3 Sessions, bis sich alle aneinander gewöhnt haben, wenn es sich nicht um Sandkastenfreundschaften handelt. Man kann sich durchaus auch mal anzicken und muss nicht immer einer Meinung sein. Kommt in den besten Beziehungen/Familien vor, wie man weiß. Relevant ist für mich dabei, dass es sich bei solchen Konflikten dann jedoch um Charakterspiel handelt, bei dem auf Spielerebene eindeutig klar ist, dass es einen wie auch immer gearteten „guten“ Ausgang gibt, also einer nachgibt, einen Schritt auf den anderen zugeht, man einen Kompromiss findet oder etwas in der Art. Es gibt bei solcherlei aber kein Konfliktpotenzial, das größeren Raum in einer Kampagne einnimmt oder wer weiß wie lang hingezogen wird, und das ist das Besondere und Relevante daran.

Konflikte, Konflikte

Es müssen ja nicht immer die klassischen Elfen und Zwerge sein … vielleicht treffen Charaktere unterschiedlicher Glaubensvorstellungen aufeinander, vielleicht solche gänzlich unterschiedlicher Lebensvorstellungen. Vielleicht will einer aus bestimmten Gründen die Welt retten und der andere sie vernichten … Konfliktpotenzial gibt es nun wirklich genug.

Der Trick liegt darin, dieses Potenzial zu nutzen, ihm aber dennoch nicht zu viel Raum zu geben und vor allem zu erlauben und zu ermöglichen, dass es eine Weiterentwicklung gibt. Das ist dann von allen Spielern/Charakteren gleichermaßen zu wuppen, und auch die SL sollte da nicht nur Öl ins Feuer gießen, sondern auch Konflikte triggernde Situationen schaffen, die ermöglichen, dass die Charaktere sich weiterentwickeln.

Kooperation

Dreh- und Angelpunkt bei dem Ganzen ist für mich eine kooperative Einstellung von Spielerseite. Ist die nicht gegeben, ist ein Spiel meiner Ansicht nach für den Eimer – es sei denn, dass man sich von vornherein auf genau so ein Spiel geeinigt hat und das Gegeneinander einen sehr wichtigen Bestandteil des Spiels ausmacht.

Das Problem ist, dass unkooperative Charaktere das Spiel anderer Charaktere nahezu unweigerlich negativ beeinflussen oder gar beschränken. Über Heldentum hab ich schon mal was geschrieben, viele andere auch. Um mal eins meiner Highlights von Boba Fett aus dem Tanelorn zu zitieren:

„Die Spieler wollen coole Charaktere. Leute, die mit einem Stadtplan im Abenteuer stehen, weil sie sich verfranst haben, sind nicht cool. Sie fühlen sich auch nicht cool.“

Und sich von jemand anderen dauernd unterbuttern lassen, sich einer Inplay-Hierarchie zwischen den SC zu unterwerfen, eventuell bedroht oder dauernd provoziert zu werden etc. ist ebenfalls nicht cool. Es gibt natürlich Systeme, die genau das wollen. Da liegt der Fall wieder anders, weil da ein entsprechender Konsens vorliegt. Aber „einfach mal so“ unkooperativ spielen, solcherlei provozieren, damit Spotlights ziehen, Spielspaß verderben und am besten dann noch sowas sagen wie „Mein Charakter ist halt so“: No way!

Andere Blogs, andere Meinungen

Zufällig erschien am 29.04.12 bei Roleplay Lab ein Artikel zum selben Thema (da hatte ich mit diesem Beitrag hier schon angefangen), allerdings mit komplett anderem Blickwinkel und ebensolcher Meinung. Angekündigt ist dazu am Ende des Artikels ein zweiter Teil, und auf den bin ich echt mal gespannt.