Relevanz von Erfahrungspunkten

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Just gestern kam ich in einem Gespräch mit jemandem auf Erfahrungspunkte zu sprechen. Beim „EP-Shoppen“ habe ich noch nie zuviel, nicht einmal je genug EP gehabt, um sie auszugeben, und entsprechend überraschte mich die Aussage meines Gegenübers, in einer seiner Runden habe er mehr oder weniger zu seinem Bedauern nun nach etwa einem Jahr Spielzeit (wöchentliche Sessions) Erfahrungspunkte eingeführt.

Über Erfahrungspunkte gibt es immer wieder mal Gespräche und Diskussionen, also dachte ich, ich halte meine Ansichten dazu mal im Blog fest. Passt auch ganz gut, wird nämlich damit auch mein erster Beitrag zu einem Umzug beim

Das Thema im April ist nämlich „Charaktere, Figuren und Charakterentwicklung„.

Auch wenn ich bei obiger Beispielaussage, dass erst nach einem Jahr überhaupt EP in der Runde eingeführt wurden, große Augen gemacht habe, kenne auch ich durchaus Runden, in denen ich mitgespielt habe und mir nach einer ganzen Weile erst auffiel, dass es (noch) gar keine Erfahrungspunkte gab, die verteilt wurden. Dann gibt es wiederum Runden, in denen ich schon nach der Anzahl der vergebenen EP frage, noch bevor alle vom Tisch aufgestanden sind. Umgekehrt kenne ich das ebenso. So habe ich beispielsweise mal eine neue Runde als SL angefangen und nach der vierten Session fiel mir dann auf, dass ich noch gar keine EP vergeben hatte. Hatte mich auch keiner der Mitspieler nach gefragt, so dass wir vermutlich weiterhin einfach ohne gespielt hätten, wäre es mir nicht zufällig selbst aufgefallen. Und ich kenne einige Leute und Runden, die EP horten, sie also schlicht nicht ausgeben.

Ich glaube, dass der Umgang mit Erfahrungspunkten viel damit zusammenhängt

1.) welches System bespielt wird

2.) welche Laufzeit die Runde hat

3.) welcher Spiel-/Leitungsspiel vorherrscht

4.) wie hoch der Bezug eines Spielers zu seinem Charakter ist.

Und das versuche ich auch gleich mal genauer zu erläutern.

1. Relevanz von Erfahrungspunkten je nach System

In klassischen Heldenspielen sind EP von Hause aus schlicht wichtig. Wer irgendwann mal vor hat, gegen Drachen zu kämpfen, ein Königreich zu regieren oder die Welt zu retten, der braucht viele Erfahrungspunkte. Ausnahme bilden hier natürlich Systeme, die von vornherein ein ziemlich hohes Powerlevel vorgeben. Aber jedes System, das bei der Charaktererschaffung davon ausgeht, dass die SC sich irgendwie nach oben hin entwickeln, braucht auch den Einsatz von Erfahrungspunkten, und dort sind sie auch weitaus gefragter als in Systemen, in denen man auch auf niedrigem Niveau einiges erreichen kann oder eben wie erwähnt von vornherein ein höheres oder hohes Powerlevel existiert.

Erwähnenswert sind hier auch Systeme, die Erfahrungspunkte nicht nur zum Steigern von Attributen und Skills nutzen, sondern auch für andere Dinge. Beispielsweise macht es natürlich einen Unterschied, ob ein Hund, der mir im Spiel zuläuft, dann einfach mein Gefährte ist, bis er irgendwann wegläuft oder ob ich mit der Entscheidung, ihn nicht zu verjagen zugleich auch die Entscheidung getroffen habe, ihn mit EP zu bezahlen. Ähnliches gilt natürlich für menschliche Kontakte. Muss ich mir Loyalität und Bekanntheitsgrad mit EP kaufen oder entwickeln sie sich automatisch mit der Zeit und haben dann schlicht Gültigkeit auf Basis der Spiel-/Beziehungsentwicklung? Ein weiteres Beispiel sind Systeme, in denen Erfahrungspunkte eine doppelte Funktion haben. Man kann sie zum Steigern ausgeben, zugleich besteht dieselbe Anzahl an EP aber auch noch einmal als Skala dafür, wie bekannt ein Charakter ist. Ein Beispiel hierfür wäre etwa das Karma bei Shadowrun, bei dem man seine EP (Karmapunkte) zum Steigern ausgibt, der insgesamt angesammelte EP-Stand aber zugleich die Reputation des Charakters wiederspiegelt und damit beispielsweise auch, wie häufig der Charakter an Aufträge kommt, als wie zuverlässig er gilt, welchen Respekt man ihm entgegen bringt, ob man ihn mehr für kleine schmierige Jobs mit tonnenweise Beinarbeit rekrutiert oder eher auch mal für die „guten“ Jobs.

Umso mehr Relevanz Erfahrungspunkte abseits des „reinen Steigerns“ haben, desto wichtiger werden sie. Das hat durchaus seine Vor- und Nachteile. Spielt man etwa ziemlich kleinschrittig (dazu gleich beim 2. Punkt noch mehr), kann es sogar sehr sinnvoll sein, im Spiel erworbene Kontakte, Artefakte und derlei mehr mit EP bezahlen zu lassen, um einem Horten entgegen zu wirken. Dieses Vorgehen kann auch helfen, das Gleichgewicht innerhalb der Gruppe zu erhalten, weil eben einfach keiner etwas geschenkt bekommt. Gleichzeitig ist genau dieser Punkt auch ein Nachteil, denn egal, was man macht, wie man sich anstellt, ob man sich um etwas oder jemandem bemüht oder nicht: Man muss es bezahlen. Das Ganze kann somit durchaus zu einem Frustfaktor werden, weil es Schlüsse zulässt wie „Warum soll ich mir ein Bein ausreißen, um … ich geb einfach x EP dafür aus und gut ist“. Das ist sicherlich nicht förderlich für das Rollenspiel, weshalb man sich das gut überlegen sollte. Ein weiterer Nachteil ist, dass bei diesem Vorgehen viele EP einfach „gefressen“ werden, denn man braucht eine deutlich höhere Anzahl insgesamt. Auch das ist ein potenzieller Frustfaktor, denn die EP sind hier quasi fortwährend knapp(er) und somit auch leichter an der Frustgrenze. Im Vergleich mit anderen Charakteren, ob nun innerhalb oder außerhalb einer solchen Runde, schneiden Charaktere, die viele EP auf solche „Zusatzsachen“ wie Kontakte, Gefährten etc. vergeben, oftmals auch schlechter ab, so dass das Risiko von „Ich hab 250 EP und kann … nix“ aufkommt. Und spätestens dann sind solche EP, die ich im Hinblick auf das Gruppengleichgewicht vorhin als Vorteil nannte, ein sogar ziemlich großer Nachteil. Nicht nur für den Spieler mit eben zitiertem Frustpotenzial, sondern auch für die SL. Um das Frustpotenzial nämlich gering zu halten und den Vorteil des Gleichgewichts zu erhalten, ist es wichtig, dass all diese gekauften Dinge auch eine entsprechend faire Relevanz im Spiel bekommen. Ein (leider) gutes Beispiel dafür ist aus meiner Sicht die WoD – dazu schreibe ich aber noch einen separaten Artikel.

Man muss sich insgesamt als Gruppe (!) also nicht nur überlegen, nach welchem System (Setting/Regeln) man spielen möchte, sondern es empfiehlt sich durchaus auch ein Blick auf den Erfahrungspunktebereich. Im Ansatz machen das schon recht viele Gruppen, zumindest kenne ich ziemlich viele „Lowtech“-Shadowrun-Runden, die bewusst mit weniger Charaktergenerierungspunkten als vom Grundregelwerk vorgegeben starten und auch bei der EP-Vergabe im Verlauf entsprechend sparsam sind. Eine andere Runde will aber vielleicht ebenso bewusst „Quick & Dirty“ spielen, und das sollte sich dann ebenfalls in der EP-Vergabe widerspiegeln. Wichtig zu klären ist auch „Wie schnell oder langsam sollen die SC sich weiterentwickeln?“ und (ganz, ganz wichtig!) ob die SC mit ihrer Entwicklung der restlichen Welt quasi entwachsen, also zu wichtigen, hoch stehenden, respektierten Persönlichkeiten werden sollen mit der Zeit (klassisches Heldenspiel) oder diese Weiterentwicklung der SC in erster Linie bedeutet, dass die Gegner stärker und fieser werden, derweil die potenzielle Macht der SC im Spiel selbst keinen oder nur wenig Niederschlag findet (weil zum Beispiel einfach keine NSC auftauchen, die das Gegengewicht bilden und einen Kniefall vor den Charakteren machen oder so). Und je nachdem, was die Gruppe im Spiel haben möchte, muss man einfach auch mal die Vorschläge aus den Regelwerken im Hinblick auf die EP-Vergabe sausen lassen und sie an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Klingt simpel, aber von „Lowtech-SR-Runden“ habe zumindest ich kaum was gehört, bis genau so ein Vorschlag mal in irgendeinem Quellenbuch auftauchte, scheint also durchaus mal erwähnt werden zu dürfen, dass man das auch kann und sogar sollte, wenn es nirgends gedruckt steht. 😉

2. Relevanz von Erfahrungspunkten je nach Laufzeit der Runde

Vorab, und zwar am besten noch vor der Charaktererschaffung, ist zu klären: Wie lange soll denn gespielt werden? Geht es darum, ein System neu einzuführen, vorzustellen oder kennen zu lernen? Ist es ein One-Shot, weil man einfach mal (wieder) Lust auf das entsprechende System hat? Soll es eine kürzere Runde werden oder eine lang angelegte Chronik/Kampagne?

Bei neuen Systemen empfiehlt es sich meiner Meinung nach grundsätzlich erst mal, die vorgegebenen Erschaffungsregeln und auch die entsprechende EP-Vergabe zu berücksichtigen. Einmal, damit man sich erst mal ans „Original“ wagt und dieses einzuschätzen lernt, bevor man eventuell Modifikationen vornimmt, dann aber ebenso, weil neue Spieler bei Vorstellungsrunden etwa einen falschen Eindruck vom System bzw. dessen Powerlevels bekommen können, wenn von vornherein deutlich nach oben oder unten korrigiert wird.

Bei einem One-Shot sind Charaktere meist irrelevant, da vorgegeben. Sind sie vorgegeben, spielen EP meist sowieso keine Rolle. Dient der One-Shot dazu, mal wieder halb vergessene, aber einst geliebte SC hervorzukramen, gelten natürlich wieder andere Vorgaben. Hier orientiert man sich wohl am besten an dem, das ich im letzten Absatz zu Punkt 1 schon schrieb: Einfach klare Ansagen vorab machen oder als Gruppe kurz festhalten, was gewünscht ist.

Wichtiger zu klären werden Erfahrungspunktevergaben, wenn es eine gewisse Laufzeit der Runde geben soll. Bei lang angelegten Kampagnen fängt man üblicherweise klein an und arbeitet sich langsam und kleinschrittig hoch. Wichtig ist da, ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben. Ich hatte ja schon von Drachen, Königreichen und dem Retten der Welt geschrieben. Wenn sowas am Ende stehen soll, sollte man halbwegs im Auge haben, wann diese Aspekte spielrelevant werden sollen, eine grobe Vorstellung vom Kampagnenverlauf und den benötigten Sessions haben. Man könnte also etwa festlegen, dass das Finale einer Kampagne dann spannend, aber gut schaffbar für die Gruppe ist, wenn jeder SC bis dahin ungefähr 250 EP angesammelt hat. Spielt man wöchentlich und vergibt jedes Mal 5 EP, weiß man also grob, dass es 50 Sessions dauern wird, bis die SC soweit sind, also ein Jahr Spielzeit.

Das ist natürlich blanke Theorie. In der Praxis steigt vielleicht mal ein Spieler aus und dafür ein anderer ein oder es versterben unterwegs Charaktere. Dem ist leicht Abhilfe zu schaffen, indem man festlegt, dass neue SC zumindest ungefähr auf dem Powerlevel der anderen einsteigen (was wieder zu anderen Problemen führen kann, ist aber auch ein anderes Thema). Üblicherweise vergeben die meisten EP nur an die Anwesenden, also sollte man auch im Auge haben, dass Spieler vielleicht an gewissen Terminen einfach nicht anwesend sind und man  demnach nicht mit genau 50 Sessions „auskommt“. Wird man sowieso nicht, weil man bei der Schätzung von hier 250 EP davon ausgegangen ist, dass irgendwie optimiert/zielorientiert gesteigert wurde. Aber wenn man ehrlich ist, ist das praktisch gesehen sowieso nie der Fall, weil immer noch was „dazwischen“ kommt und keine Kampagne je verläuft, wie sie vielleicht vorab mal auf dem Papier stand. 😉

Trotz der blanken Theorie ist das eine ganz gute Richtschnur zum Planen. Wie genau das Ganze ansteigt, ob man vielleicht erst mal immer nur 3 EP vergibt und später mehr (oder umgekehrt, weil SC zu Anfang ihres Daseins mehr neue Sachen dazu lernen als später irgendwann), ob man sich langsam zu einem gewissen Punkt entwickeln will und ab da „boosten“ oder umgekehrt, muss jede Runde für sich entscheiden.

Ganz pragmatisch gedacht bedeuten weniger vergebene EP oft allerdings auch, dass es länger dauert, bis man abseits der Grundregeln besondere (Kampf)regeln, Artefakte etc. ins Spiel bringen sollte oder müsste. Das Spielen mit langsamer Charakterentwicklung macht also zumindest im Hinblick darauf auf SL-Seite oftmals weniger Arbeit als eine Runde mit steil steigendem Machtpotenzial. Wenn man also noch wenig Erfahrung in einem System hat und abschätzen kann, in der nächsten Zeit noch nicht dazu zu kommen, da weitere Quellenbücher zu lesen, mehr Regeln umzusetzen usw., empfiehlt sich immer auch eine eher geringe Erfahrungspunkte-Vergabe. Hier gilt aber ebenso, dass man das der Gruppe auch vorab so sagen sollte, um eventuellen Frust zu vermeiden.

3. Relevanz von Erfahrungspunkten je nach Spiel-/Leitungsstil

Für mich persönlich ist dieser Punkt der wichtigste von den eingangs genannten, denn er ist es auch, der meiner Ansicht nach erklärt, wieso Leute in einer Runde einfach ein Jahr friedlich miteinander spielen, ohne EP zu bekommen oder auszugeben und dennoch mit ihren „Startcharakteren“ Spaß haben.

Ich bin davon überzeugt, dass leistungsorientierte Spieler (und eigentlich steckt die Begründung hier schon im Begriff selbst) einem nach kürzester Zeit einen Vogel zeigen und die Lust verlieren, wenn sie keine Erfahrungspunkte bekommen. Ohne Erfahrungspunkte können sie ihren Charakter nicht verbessern und schlicht nicht „mehr leisten“ und auch nicht „gewinnen“, also ist das ein No-Go für ein Spiel mit leistungsorientierten Spielern. Liest sich simpel und ist es auch.

Wer hingegen kleinschrittige Seifenopern spielt und/oder sowas wie „Die Sims“, braucht hingegen keine oder kaum Erfahrungspunkte. Man kann sich ewig und drei Tage damit beschäftigen, mehr oder minder Alltägliches zu spielen, und dazu braucht man keine Erfahrungspunkte – außer vielleicht, dass man welche ausgeben muss, um dennoch irgendwas dazu zu lernen, ein Geschäft zu eröffnen oder irgendwas in der Art. Man kann einfach von SC zu NSC zu SC zu … laufen und sich unterhalten, die Stadt und ihre Bewohner kennen lernen, von Planet zu Planet fliegen und Sightseeing spielen, vielleicht ein paar Critter unterwegs katalogisieren … und die paar Erfahrungspunkte am Wegesrand reichen dafür in der Regel aus.

Das sind jetzt zwei Extreme, die vor allem einen Nachteil haben: Man hat selten eine Gruppe, in der nur einer von beiden Typen vorkommt, sondern vielmehr solche, in denen beide Typen und ein breites Mittelfeld auftreten. Da sind wir dann wieder bei Theorie, Praxis und der Wichtigkeit von Kommunikation. So schwierig ist es dann aber auch wieder nicht, denn das Mittelfeld bietet hier auch die besten Optionen für einen guten Kompromiss. Die Sims-Spieler haben ja grundsätzlich nichts gegen Erfahrungspunkte, sie brauchen sie nur nicht so wirklich, um etwas aus dem Spiel zu ziehen. Aber wenn sie welche bekommen, finden sie auch Wege, die auszugeben und trotzdem Spaß am Spiel zu haben *g*. Leistungsorientierte Spieler hingegen mit EP zuzuwerfen ist generell keine Lösung, zumindest keine, die meinen Erfahrungen nach Positives bewirkt. Nicht lang auf der Stelle treten und eine möglichst steile Kurve hinzulegen ist hier wichtig, aber das Problem ist: Werden zu schnell zu viele Entwicklungsschritte absolviert und hat der Charakter ein bestimmtes Level erreicht, wird er uninteressant für den Spieler. Herausforderungen werden immer schwieriger zu finden und zu bieten, und so wird dieser Spieler früher oder später einen anderen Charakter spielen wollen. Nutzt man in der Runde zu Gunsten der Ausgewogenheit die Option, neue Charaktere auf vergleichbarem Powerniveau einsteigen zu lassen, ist ab diesem Punkt allerdings niemandem mehr geholfen. Der Spieler wird nur wenige Sessions mitspielen, bis er feststellt, dass er gerade zwar einen anderen SC, aber hinsichtlich seines Herausforderungswunsches „dasselbe in grün“ spielt und erneut die Lust verlieren – im so gesehen optimalen Fall in der Form, dass er rasch wieder den Charakter wechseln wollen wird, im schlechtesten Fall derart, dass er an der gesamten Runde keinen Spaß mehr hat. Sicherlich kann man daran drehen, indem man dann dem Wunsch nach mehr Herausforderungen usw. erneut gerecht zu werden versucht, aber das funktioniert nicht allzu lang, irgendwann ist einfach das obere Ende erreicht, und in heterogenen Gruppen funktioniert es oft gar nicht, weil es zu einem Ungleichgewicht kommt, bei dem die anderen Spieler sich wiederum nicht entsprechend einbringen können oder wollen. Dumm gelaufen – und ein weiterer Pluspunkt für das Mittelfeld.

Das „Rätsel“ der eingangs genannten Runde, die ein Jahr lang ohne Erfahrungspunkte gespielt hat, ist übrigens leicht zu lösen: Die Runde spielt „All flesh must be eaten“, also Zombie-Survival, und man hat sich eingangs darauf geeignet, „Normalos“ zu spielen, die einfach versuchen zu überleben, möglichst andere Überlebende zu treffen und irgendwo halbwegs sicher ein neues Leben anfangen zu können. Entsprechend ist für die SC relevant, wo es im Spiel möglich ist, Zombies zu umgehen, sicheren Unterschlupf zu finden und an Nahrung sowie Ausrüstung zu kommen. Wie schnell sie einen Zombie erschießen können, ein Schloss knacken oder sonst etwas können, ist schlichtweg ziemlich unerheblich in dieser Runde, die ich insgesamt eher zum kleinschrittigen Seifenopern-Modell zählen würde. Statt EP zu sammeln, erhalten die Charaktere im Spielverlauf eben Lebensmittel und derlei, umso besser sie sich anstellen (Teamwork, Planung usw.), desto besser schaffen sie es auch, Zombies zu entgehen und zu überleben. Und zugleich ist das ein ziemlich gutes Beispiel für die vorgenannten Dinge, denn diese Runde verfolgt nach eindeutiger Absprache vorab dieselben Ziele mit offenem Ende, spielt in einem System/Setting, das diese Absichten unterstützt und ist insgesamt ziemlich homogen, was ihre Absichten betrifft. Alle haben, was sie wollen und abgesprochen haben: Perfekt!

4. Relevanz von Erfahrungspunkten je nach individuellem Bezug zum SC

In gewisser Weise hängt dieser Punkt ziemlich eng mit dem dritten Punkt zusammen, denn je nachdem, welchen Spielstil man bevorzugt, neigt man auch dazu, sich mehr oder weniger mit einem Charakter, seinem Hintergrund und seinen Motivationen zu beschäftigen. Jemand, der leistungsorientiert spielen will, legt Charakterinformationen abseits der Werte oftmals in pragmatischer und stichwortartiger Form ab. Meist gibt es schon eine Motivation (die den SC dann ja auch in die Gruppe bringt) und ein entsprechendes Ziel, das auf irgendeine Art formuliert wurde, meiner Erfahrung nach wird das aber meist nur sehr vage formuliert. Das Klischeebeispiel wäre hier der Krieger, natürlich Vollwaise, der den Tod seiner Familie rächen will. Da steckt schon einiges drin, nämlich dass der SC seine Rache auf kriegerische Art zu lösen gedenkt, und dass Rache eben sein Antriebsmotor ist. Um erst mal zu spielen und einen Aufhänger zu bieten, diesen Charakter ins Spiel zu bringen, reicht das völlig aus. Und irgendwann stellt man dann fest, dass es schwierig wird … Wie schnell will der Charakter denn seine Rache, wie lange wartet er zu Spielbeginn eigentlich schon darauf? Und bezieht sie sich konkret auf die Mörder seiner Familie oder eher auf die ganze Fraktion, der die Mörder möglicherweise angehören? Und was passiert, wenn der Charakter seine Rache bekommen hat?

In diesem Beispiel stecken also gleich mehrere Punkte auch abseits der reinen EP-Vergabe. Das Tempo ist bei der ersten Beschreibung nicht näher definiert und kann schon problematisch sein. Während die SL davon ausgeht, dass es sich um ein Fernziel für das Finale der Kampagne handelt, hat der Spieler vielleicht einfach nur kurz überlegen wollen, aus welcher Motivation heraus er sich den anderen anschließen könnte und geht ansonsten davon aus, dass er sein Ziel innerhalb von 10 Sessions erreicht, um dann „mal weiter zu sehen“. Für die SL ist klar, dass das Ganze am Ende stehen soll, weil sonst keine Ziele oder Motivationen geliefert wurden, für den Spieler ist klar, dass er quasi punktesammelnd mit den anderen mitläuft, bis er genug Kampfkraft hat, um sein Ziel zu erreichen – und nicht länger, weil reines Mitlaufen nämlich schlicht langweilig ist.

Zugleich wird der leistungsorientierte Spieler seine EP so effektiv wie möglich verteilen, in diesem Beispiel also stark darauf achten, dass er seine Kampffertigkeiten maximiert, eventuell noch das eine oder andere sonst, um notwendige Informationen oder Ausrüstungsgegenstände für seine Rache beschaffen zu können. Und wenn er an diesem Punkt angekommen ist, dann ist der Charakter „fertig“ und der Rest besteht daraus, darauf zu warten, die eingesetzte Energie praktisch in Form der erfolgreichen Rache umsetzen zu können.

Einem Sims-Spieler sind solche Sachen meist egal. Im Gegenteil besteht bei ihnen vielmehr das Problem darin, sie zum Ausgeben der EP zu bewegen. Sie brauchen nun mal keine oder wenige und oftmals kann man nach der Lieblingsfarbe des SC fragen, nach seinen Gewohnheiten bei der Morgentoilette und der ersten Großen Liebe mit 14 Jahren, aber was oder wohin sie so genau wollen, wissen sie oft nicht so unbedingt. Halt „mal gucken“, was immerhin die Möglichkeit schafft, im Spielverlauf Motivationen und Ziele nachzuliefern und darauf auch Einfluss zu nehmen.

In erster Linie den Blick heften sollte man bei heterogenen Gruppen aber wohl besser auf die leistungsorientierteren Spieler, zumindest dann, wenn man auf ihre langfristige Anwesenheit am Tisch Wert legt. Was wiederum die „mal gucken“-Spieler und ihre Charaktere ins Abseits schieben kann, weil diese nämlich eigentlich mehr Zeit benötigen für all ihre Fluff-Geschichten … alles nicht so einfach …

Dass es das tatsächlich nicht ist, zeigt aus meiner Sicht die WoD besonders gut, die nämlich bei vergleichbaren EP-Kosten beide Spielertypen bedient, das aus meiner Sicht aber nicht gerade auf unkomplizierte oder faire Art und Weise. Aber dazu in einem separaten Artikel mehr, wie schon angekündigt.