Dreams are my reality?

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Zwei Sachen brachten mir so eine Art aktueller Erleuchtung, jawohl. Und dazu gibt es ja praktischerweise sogar ein passendes Lied. Bei 1:30min. sieht man Sophie Marceau sogar auf einem Foto mit Telefonhörer in der Hand. So ein Foto gibt es von mir auch. Nur, dass ich da viel, viel süßer war als Sophie Marceau. Allerdings auch erst etwa sechs Monate alt. Kleinigkeiten.

(Hat nicht so ziemlich jeder aus meiner Generation solche „Nach-Hause-telefonieren“-Babyfotos?).

Zurück zur Erleuchtung:

Nach Jahren (!) des ungelesenen Zustands hab ich nun endlich mal „Gargoyle“ gelesen von Andrew Davidson. Das Buch ist genial. Und seltsam ist es auch. Ich werde dazu sicherlich demnächst mal ein Video machen, aber relevant für diesen Beitrag hier ist vor allem die Tatsache, dass ich mich im Verlauf des Buches in der Geschichte quasi verloren habe, auf sehr positive Art und Weise. Zunächst appelliert der Roman stark an meine Berufsleidenschaft, denn im ersten Drittel stehen detaillierte Behandlungsmethoden bei Verbrennungsopfern eigentlich im Vordergrund und nur am Rande taucht die zweite Protagonistin auf sowie ein Hauch Fantasy/Esoterik. Das zweite Drittel dann ist der hauptsächliche Erleuchtungsteil. In diesem erzählt die werte Marianne dem Ich-Erzähler zahlreiche Geschichten. Die meisten von ihnen führen ins Mittelalter. Diese hängen auch zusammen und werden immer mal wieder fortgesetzt, bis sie zum Ende des Buches hin eine vollständige ergeben. Doch sie erzählt auch die Geschichte eines Drachen, durch den die Gargoyles benamt wurden, die tragische Liebesgeschichte von einem italienischen Paar, von einer jungen asiatischen Frau, einem unglücklich verliebten Wikinger und noch einige mehr. Anfangs haben mich diese wiederkehrenden Brüche in der Gegenwartsgeschichte irritiert, doch je weiter ich kam, desto mehr hat mich all das entführt. Ich bin in so einen Wattebauschzustand gekommen, in sowas wirklich Kindliches, wo man sich noch irgendwo eingerollt hat und Muttern einem Geschichten vorlas – ich hoffe, sowas kennt jeder von euch -, wo man zuerst einfach nur zuhörte und dann zu einem schwammigen Teil der Geschichte als Beobachterin wurde. Schwammig, weil man eben eingelullt war, vielleicht müde, aber noch nicht im Schlaf, nur so ähnlich. Besser kann ich es nicht beschreiben. Ich fand es tatsächlich schade, als der Wälzer (500+ Seiten sind eigentlich echt nicht mein Ding) zu Ende war.

Und dann habe ich es kurz darauf geschafft, mir den neuesten Teil von Frank Voigts Wechselbalgrunde auf Youtube anzusehen. Die ersten Teile sind ein bisschen ähnlich, der Teil genau zuvor wurde von den Zuschauern/Zuhörern gemischt aufgenommen. Warum? Weil der quasi ein bisschen böse endete. Ist zwar eine eigene Interpretation von „Changeling, the Dreaming“ aka „Wechselbalg, der Traum„, die Frank mit dieser Runde zeigt, aber es ist eben doch auch irgendwie WoD. Und da gilt: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Und so weiter. Für Frank war das offenbar von vornherein klar (und ich meine mich zu erinnern, dass er das hier und da auch immer mal wieder offen kommunizierte), aber den Zuschauern war es wohl nicht durchweg klar. Und auch den Spielern nicht – oder sie hatten das unterwegs vergessen. Man sieht an ihren Gesichtern am Ende der siebten Session, dass sie wirklich bedrückt sind. Auch zu Beginn der Folge danach bilde ich mir ein, anfangs gemischte Gefühle in den Spielergesichtern zu sehen. Schaut man sich die Kommentare der siebten Session an, spiegelt sich auch dort wieder, dass die Leute teils irgendwie betroffen sind von dem Geschehen da. Und abseits der üblichen 1-2 Klicks mit dem Daumen runter von irgendwelchen obstipierten Trollen hat nur diese Session direkt vier Daumen runter kassiert (im Vergleich zu 28 Daumen rauf). Der Stil der Runde an sich hat sich nicht verändert und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass spontaaaan ein paar Leute in ausgerechnet diesen Stream gedackelt sind, sich verlaufen haben und statt „Bin ich blöd, ich hab mich verlaufen“ zu denken und wieder zu gehen dachten „Seid IHR blöd, ich hab mich verlaufen“ und auf Mag ich nicht klickten. Ich denke, das ist durchaus eine Rückmeldung zu den Ereignissen in der Session gewesen.

Das brachte mich zu der Frage: Was ist da – auf der „Meta-Ebene“ passiert? Diese Runde ist quasi würfelfrei, und es ist ein Mix aus Erzählonkelei und Sandboxing. Außerdem sind die Spieler systemunerfahren. Sie erfahren als – wie sie dachten – Menschen, dass sie eigentlich was ganz anderes sind. Die menschliche Seite steht im Vordergrund und nur langsam und vorsichtig nähern sie sich an die Wechselbalg-Inhalte heran. Das Setting wird spielerisch entdeckt. Man kann hingehen, wohin man will, reden, mit wem man möchte und so weiter. Und durch alles spinnt sich ganz leise ein roter Plot-Faden sowie ein blauer „Settingerlern-Faden“ hindurch. Im Grunde sowas wie ein opulent angelegtes Präludium, kann man sagen.

Was außerdem auffällt, ist das konzentrierte Spielen von allen. AnguyX driftet hier und da mal ganz kurz ab, während MsBookpassion eigentlich ständig dabei ist. Es gibt so gut wie keine Outplay-Blasen (einmal von der üblichen Pinkelpause abgesehen). Spannenderweise sieht man auch das übrigens in den Gesichtern – was ich tatsächlich mal als deutlichen Pluspunkt von einer Youtube-Session im Vergleich zu anderen Runden wahrnehme (aus der Beobachterperspektive gesehen, logisch). Ich glaube, die beiden, mindestens aber MsBookpassion, landen da nach recht kurzer Zeit auch in diesem Wattebauschzustand, wie ich ihn oben bei dem Roman von Andrew Davidson erlebte. Ich kann natürlich auch einfach schreiben „die sind da voll immersiv“, aber … naja, kann man beschreiben, wie man möchte.

Und da tauchen sie also ein und weg, die Spieler, aber wohl auch viele der Zuschauer/Zuhörer, und tauchen tiefer und tiefer – und dann klatscht ihnen ein Schiffswrack volle Motte auf den Schädel, statt sich artig am Meeresgrund zu befinden. Das trifft. Und es trifft, weil man so „drin“ ist. Weil „drin“ sein Emotionen zulässt, und weil Wattebauschzustände keine Rüstungsklasse haben.

Das alles ist aber eigentlich nur Teil meiner Erleuchtung. Durch diese beiden Ereignisse habe ich mich an für mich vergleichbare Sessions erinnert. An Sessions, in denen mindestens gefühlt meine Augen zu leuchten begonnen haben, in denen ich tatsächlich an den Lippen des Erzählonkels hing und wattebauschig-gierig nach mehr davon lechzte, in denen ich während des Spielens geträumt habe, in denen das Kopfkino zu Maximum-3D mit Megasound wurde. Das waren Momente, Szenen und ganze Sessions, die in mir irgendwas in sich Spielerisches geweckt haben, falls irgendwer versteht, was ich damit meine. Die den Zauber hatten, den ich schon seit längerem beim Spielen vermisse, wie ich ja schon mal so ganz ingesamt feststellte.

Und dann fällt mir wieder ein, dass ich auch diese Schiffswracks kenne, die einem auf einmal auf den Schädel knallen. Und gerade 2011 und 2012 waren die Seewege übelst befahren, oder anders: Da ist mir verdammt oft was auf den Kopf geknallt. Das ist eben die Kehrseite der Medaille. Anfangs hab ich jedes „Aua“ sogar quasi masochistisch genossen. Warum? Weil ich das bis dahin – mit einer einzigen Ausnahme – nicht kannte. Dieses Gefühl, wirklich ganz tief abzutauchen, kannte ich als solches sowieso bis dahin kaum aus dem Rollenspiel. Und plötzlich trat es vermehrt auf, quasi in Serienproduktion, UND dann lernte ich, dass es da noch diese Schiffe gibt. Wie gesagt: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Und wenn man eben vorrangig WoD-Kram spielt, dann ist auf See oft einiges los. Ich fand das megaspannend, dass man wirklich und sogar wiederholt so tief in Charakter und Ereignisse eintauchen kann, dass das wirklich auf einen selbst „überschwappt“, dass man sich danach euphorisch fühlt oder eben sehr geknickt, sodass man erst man wieder runterkommen muss.

Aber irgendwann fiel mir dann auf, dass sich das alles in die falsche Richtung entwickelte. Positive Entwicklungen waren immer mehr kleinere Ereignisse, in jedem Fall oftmals nicht mit intensiver Immersion verknüpft – die negativen Ereignisse hingegen schon. Aus dem spannenden Up&Down mit längeren Ups entstand für mich immer mehr das Gefühl, quasi zwangsläufig in Negativsituationen zu laufen. Das ist so faktisch und objektiv betrachtet vermutlich nicht ganz richtig, aber eben auch nicht ganz falsch.

Das hat in mir ein Misstrauen geweckt, das ich so auch noch nicht vom Rollenspiel kannte. Und ich hab mir einen Helm aufgesetzt wegen der ganzen sinkenden Schiffe. Beides hat dafür gesorgt, dass ich mich mehr abschirme vor dem Geschehen und mich sozusagen buchstäblich mehr raushalte, weil ich ständig erwarte, dass der von mir gespielte Charakter sowieso verarscht wird, in eine Sackgasse rennt oder irgendwas in der Richtung. Gleichzeitig bemerke ich, dass mir was fehlt, eben diese Intensität und dieser Zauber, was mich zu einer recht ungeduldigen, kritischen und schnell genervten Spielerin macht.

Schade.

Aber tatsächlich hilft mir diese Erkenntnis, etwas zu entwirren, was mich schon recht lange beschäftigt und worüber ich auch schon mal geschrieben habe. Das Problem sind gar nicht die Runden, die Settings, die Systeme, und irgendwie nicht mal ich selbst *g*. Ich glaube, was ich suche, ist nichts, was mal „neu“ ist hinsichtlich Setting und System. Und ich glaube, meine neuerlichen Ausflüge zurück zu DSA haben wenig damit zu tun, dass es … naja, dass es halt DSA ist. Ich glaube, was ich im Moment wirklich suche ist eine Runde, die mir mindestens 3:1 Wattebäusche gegenüber Kopfschiffen bietet. Ist vermutlich völlig egal, was ich da genau spiele, und das oft von mir gewünschte „larger than life“ ist auch nichts anderes als eine Bezeichnung für genau das.

Ich brauche eine Runde, in der ich mich richtig verlieren kann, ohne auf’s Maul zu kriegen. Kein reines Erzählonkeln, schon was aktives, aber wo eben deutlich mehr Ups als Downs drin sind, um da mal wieder einen neutralen Waagschalenzustand zu erreichen. Das ist ziemlich gut, dass ich das endlich mal auf den Punkt bringen kann. Eine gute Erkenntnis. Danke an den eben gelesenen Roman und die Youtube-Wechselbalgrunde.

Ich mag Küchen-Psychologie. 😀