Eis, Prinzessinnen und Hexenbienen

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Bei den meisten Artikeln kann ich guten Gewissens davon ausgehen, dass sich irgendwo irgendwer findet, der genau weiß oder nachvollziehen kann, worüber ich gerade schreibe. Da bin ich mir diesmal nicht ganz so sicher. Mal sehen. 😉

Also vorweg: Exzessives Shoppen im Rollenspiel kennen ja mal auf jeden Fall alle. So ziemlich jeder macht sich darüber lustig und lästert darüber, was mich zu der Frage bringt, wieso es dennoch immer wieder vorkommt (und offenbar nicht so selten), dass entsprechende (aktuelle) Anekdoten aufkommen. Aber es liest ja auch niemand die BILD-Zeitung oder schaut sich das Dschungelcamp an. 😀

Dieses übliche Shoppen finde ich tatsächlich ziemlich lahm. Also jetzt im Rollenspiel. Vor allem dieses „Hat der Händler denn auch noch eine +5-Waffe da oder geht das nur bis +3?“. *gähn*

ABER ich muss da mal was aus meiner Kindheit erzählen, wo ich hier schon dauernd in den Nostalgie-Modus verfalle.

Meine Cousine ist nicht ganz ein Jahr jünger als ich, was dazu führte, dass wir als Kinder oft zusammen gespielt haben. Schon zwangsläufig sozusagen, weil unsere Mütter es für eine prima Sache hielten, uns zusammen zu topfen, um dann eine Weile ihre Ruhe zu haben. Und es gab zwei Spiele, die wir gespielt haben wie wahnsinnig. Und das war nicht das Spiel mit Puppen – gab es auch, war aber nicht so aufregend -, sondern das war das Shoppen. Kein Scherz. Und schon, als wir gaaaanz klein waren.

Angefangen haben wir in irgendeinem Sommer mit unserem höchstpersönlichen Eiscafé, in dem wir mit großer (kindlicher) Sorgfalt die verrücktesten Sorten kreierten und abwechselnd Käufer und Verkäufer waren. Später dann haben wir noch einen Prinzessinnenladen (Marktlücke!) dazu genommen, in dem auch mit echtem Geld bezahlt wurde. Echt hieß, dass wir unterschiedlich große Papierschnipsel hatten, die mehr wert waren, desto größer der Schnipsel war. Mit Kleinigkeiten haben wir uns aber sowieso nicht abgegeben und hatten daher direkt den Millionenschein in petto und sowas. Und in diesem Laden gab es dann eben Kleider, Schuhe, Schmuck und Frisuren (ähm, ja …) zu kaufen, damit man für den nächsten Ball gerüstet war.

Man müsste dabei gewesen sein, um nachzuvollziehen, dass es da eben nicht um so eine Art „Kaufladen“-Spiel ging. Tatsächlich waren wir beide da noch zu klein/jung, als dass wir so einen gehabt oder auch nur gewünscht hätten – ich glaub, wir wussten da noch gar nicht, dass es sowas gibt. Als wir das später wussten, stand so einer natürlich auch auf der Wunschliste, ich hab irgendwann einen bekommen und damit haben wir auch gespielt, aber – das war nicht dasselbe.

Beim Kaufladen hatte man auf einmal diese ganzen Minis von Getränken und Lebensmitteln, das war ja irgendwie nicht „echt“. Aber unser Millionengeldschein und das Wumbaknisch-Geheimnis-Eis, DAS war wirklich echt! Es hat nur keiner gesehen außer uns, aber ich hätte damals oft geschworen, dass es das Eis wirklich gibt. Daran hat man immer auch sofort gemerkt, dass die Erwachsenen einen nicht ernst nahmen. Wenn die sich mal dazu herabließen, das Eiscafé zu besuchen, dann deuteten die auf den völlig falschen Eisbehälter oder bestellten sowas wie Erdbeereis. Sowas Profanes hatten wir doch gar nicht im Programm! Nur unser Opa war da anders. Der konnte sich immer ordentlich benehmen in so einem Café, passte gut auf, wenn wir von unseren Kreationen schwärmten und wusste unser imaginäres Eis gebührend zu würdigen.

Als ich dann in die Schule kam, gab es kein Eis mehr. Es war ja auch ein gepflasterter Schulhof, wie sollte man da an die Zutaten kommen? Geht nicht, ganz logisch. Also blieb mir nicht viel mehr übrig, als mich dem Bienenstaat anzuschließen. Bienenstaat? Genau! Inspiriert durch die Biene Maja sind wir damals auf die Idee gekommen, Biene Maja zu spielen. Ich meine jetzt nicht meine Cousine und mich, sondern meine Mitschüler. Die Jungs fanden das albern, dass wir da über den Schulhof summen und von Blumen reden. Aber die andere Schulklasse, die ging in den Widerstand (die beiden Klassen kamen nicht so prima miteinander aus zumeist). Und sie kreierten den Ameisenstaat, der Bienen jagte. Ja, so war das damals …

Nun standen wir Mädchen-Bienen also einer Übermacht an Ameisen gegenüber, die uns dauernd auf die Flügel pinkelten, sodass wir nicht mehr fliegen konnten. Nicht witzig. Und so appellierten wir erfolgreich an das Ehrgefühl unserer Bieneriche – sie wurden zu Bienensoldaten und zogen für uns Majas in den Krieg. Für die Ehre unserer Flügel! Keine Macht dem Ameisenurin!

Und da begann das Ganze langsam System zu entwickeln. Nicht nur, dass die Ameisen ihren festen Fest bei den Autoreifen auf dem Schulhof hatten, sondern wir Bienen entwickelten unseren eigenen Stock diagonal am anderen Schulhofende in der Bepflanzung da. Es gab da einige recht armselige Sträucher und sowas, die genug Abstand zueinander hatten, dass wir mit der Zeit kleine Gänge und Kammern dort ertrampelten. Wir verteilten Aufgaben. Es gab Anführer-Bieneriche und einfache Soldaten und noch anderes Zeug bei den Jungs, aber es gab auch Heilerbienen, Streberbienen (die immer einen guten Tipp auf Lager hatten), und es gab so eine Art Hexenbiene bei uns Mädels. Ich wurde – man wird es kaum glauben – so eine Art Hexenbiene. Ich hatte nämlich ein Fleckchen in unserem Stock gefunden, auf dem man bestimmt vier Erstklässler dicht aneinander gedrängt stellen konnte, ohne die „Zelle“ zu verlassen. Quasi eine riiiiiesige Zelle! Und die war meine, jawohl. Die umgebenden Äste hingen in die Zelle hinein und gaben an, wo es welches Kraut gab, welche Blätter, welche Flüssigkeiten bis hin zu simplen Getränken und all sowas.

Ich hatte viel Spaß in meiner Hexenbienenzelle, aber irgendwie fand die nicht den Anklang bei den anderen, den ich mir erhofft hatte. Also ließ ich mir eine List einfallen: Im zweiten Schuljahr hieß es noch immer Bienen vs. Ameisen, aber es hatte sich einiges geändert über die Sommerferien. Wir waren nicht mehr die allerkleinsten an der Schule, was dazu führte, dass die Erstklässler ziemlich früh mitbekamen, was wir da alles machten und mitspielen wollten. Zugleich ging es auch nicht mehr gegen den Stolz eines jeden Drittklässlers, uns nicht mehr gänzlich zu ignorieren. Einige wollten uns aktiv den Spaß verderben, andere mitspielen. Und so kam die Fraktion der Termiten (eine Drittklässler-Fraktion) auf, grundsätzlich Bienenfeinde, aber auch seitens der Ameisen mit Vorsicht zu genießen, da Termiten meist Böses im Schilde führten und als besonders link galten. Doch es gab auch kurzzeitig zwei oder drei weise Raupen (Drittklässler-Mädchen), die vor allem den Ursprungsbienen und -ameisen helfen wollten. Durch die zahlreichen Angriffe der Termiten konnte man ihren weisen Rat allerdings nicht allzu lang nutzen. Manch eine wurde aber auch zu einem Schmetterling.

Zurück zu meiner Hexenbienenzelle. Ich erklärte, dass Heilerbienen nicht einfach so heilen könnten. Die bräuchten schon bestimmte Kräuter dafür – und die meisten fanden das vernünftig. Und die Nahrung für den Nachwuchs (Erstklässlerbienen) gab es auch bei mir. Und ein Flügelpflegeöl natürlich. Kurzum knüpfte ich in der zweiten Klasse an meine weitreichenden Erfahrungen durch den Verkauf von Eis und Prinzessinnenkram an – und war damit recht erfolgreich. Kaufladen? Pffff. Wer braucht denn Kaufläden, wenn er eine eigene Hexenbienenzelle begründet hat?

Und mein Erfolg war ja quasi unaufhaltsam. Zweite Klasse hieß bei mir, dass ich um die Existenz von DSA wusste – das hat meine Produkte, die ich als Hexenbiene so verkaufte, äußerst bereichert, kann ich euch sagen. Schließlich konnte ich jetzt auch Waffen an die Soldaten verkaufen und gab bei den Verkäufen einen Zettel mit einer Nummer aus, die symbolisierte, wie stark die im Vergleich zu anderen ist. +3 und so, ihr wisst schon. 😀

Zu Recht fiel irgendwem dann mal auf, dass Waffen von einer Hexenbiene irgendwie komisch wären. Das war natürlich nicht von der Hand, Verzeihung, vom Flügel zu weisen, also gab ich diesen Geschäftszweig schließlich gegen eine Menge Honig auf. Und mit diesem Honig setzte ich mich schließlich zur Ruhe und überließ die Hexenbienenzelle meiner Lehrlingsbiene, derweil ich in den Pausen dann lieber zu den Zyklopeninseln … aber die Geschichte kennt ihr ja schon.

Worauf wollte ich hinaus? Ach ja, Fantasie-Shoppen und Rollenspiel!

Als ich irgendwann später mit anderen DSA spielte, lief das Ganze eher klassisch ab, also so, wie ich es eingangs beschrieb. Schade, aber wo es gegen das Böse geht, ist halt keine Zeit für detailverliebte Einkäufe mit zig verschiedenen Sorten von irgendwas. Um eines kam man aber nicht herum, wenn ich leitete: die Speisekarten in den Tavernen. Nee, die gab es nicht wirklich (okay, okay, ganz zu Anfang gab es wirklich welche, ich geb’s zu), aber auch dort, wo es nur eine einzige Suppe gab, bekam die Beschreibung selbiger mindestens fünf Minuten, jawohl! Kam gar nicht so schlecht an. Oder anders: hat sich keiner beschwert, hehe.

Es dauerte eeeeeewig, bis ich an meine Eis- und Bienenleidenschaft von einst wieder anknüpfte. Aber sie brach wieder durch und brauchte nicht viele Impulse.

Bei Traveller machte eine Mitspielerin einen unheimlich ausführlichen Hintergrund – also sie spickte ihre Datei mit allen möglichen Fotos von Verwandten, Bekannten und so weiter ihres Charakters. Hab ich direkt nachgeahmt – und nicht nur meine Ausrüstung aufgelistet und dabei unter anderem „Bücher“ geschrieben, sondern hinter das Wort ein Sternchen gesetzt und ein Stück darunter alle imaginären Buchtitel im Besitz meines Charakters separat aufgelistet. Überhaupt hab ich alles separat aufgelistet, jeden ollen Alltagsgegenstand, sodass mein Charakter schließlich mit unzähligen Gepäckstücken an Bord ging (Barbiespiel und so).

Bei Shadowrun nahm ich diese Vorgehensweise mit, was zu unzähligen Seiten Charakterblatt führte. Und nicht nur dazu, sondern auch zu einer kompletten Beschreibung der Wohnung, schließlich zu Grundrisszeichnungen und Co. – was ich auch als Vorgehensweise mit in weitere Runden und Spiele nahm, inklusive Vampire.

Und dann kam die Werwolf-Runde … und wir erbten ein Restaurant. Ein Restaurant! Ich hätte soooo gerne da gespielt! Aber man wird ja älter und vernünftiger und muss einfach sehen, dass das ein Gruppen-Werwolf-Spiel ist und nicht Restaurant Empire oder sowas, also blieb es bei einem Nebensatz wie „Ich fahr noch mal zum Restaurant und schau nach dem Rechten“ – „Alles klar, was macht der Rest?“ und so weiter.
Es gab auch einen Esoterikladen mit äußerst interessanter Auslage und noch interessanterer Besitzerin, und eine ziemlich coole Changeling-WG und … hach, war das alles schön!
Diese Runde spielt nicht mehr, aber das Restaurant habe ich nicht vergessen und denke immer wieder daran, wie gerne ich da einfach so vor mich hingespielt hätte. Ja, ja, die kleine Eisverkäufer-Hexenbienen-Prinzessin in mir …

Neulich hab ich ja schon was zur Wechselbalg-Runde von Frank Voigt geschrieben, und abseits der allgemeinen Träumerei habe ich dort gesehen, wie ein Wunsch von mir ein bisschen in Erfüllung ging. Ja, die Charaktere haben da eine Buchhandlung, okay. Aber das ist mehr Hintergrund. So wie ein Restaurant. Was man halt so hat als Wechselbalg oder Werwolf *g*.

Aber da gibt es diese Szene, irgendwo in der achten Session, in der Corvo über den Neverwhere Plaza schlendert und die einzelnen Läden dort aufzählt. Er überlegt, in welchen er schon war und in welchen noch nicht, und schließlich geht er in einen Blumenladen. Und Theresa durfte in dieser Session sogar shoppen gehen. Ein Kleid. Ha! Ein Prinzessinnenkleid quasi!

Nun ist diese Runde schon ausreichend fokussiert. Also man findet in den einzelnen Geschäften andere Wechselbälger, das ist nun nicht reines Eisverkaufsspiel oder sowas. In den Läden stecken relevante Personen und Gespräche, es ist also kein Tüdelü, sich da mal genau überall umzusehen.

Trotzdem: Ich war neidisch, als ich da zugesehen habe. Ich will auch einen Platz mit vielen Geschäften haben, die irgendein Charakter von mir aufsuchen kann. Ich will mir auch mal die Vorzüge von Nachtorchideen zeigen lassen und darüber staunen. Ich will auch … ich will, ich will, ich will! *mit dem Fuß aufstampf*

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