Ich, er, sie, es und man

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Manche nutzen es ganz bewusst, andere unbewusst – und haben damit dennoch eine bestimmte Wirkung: „Ich mache“, „Er/sie/es macht“ und „Man macht“.

Mir sind die verschiedenen Ausdrucksformen und ihre „Reviere“ ein bisschen mehr aufgefallen in den letzten Monaten, weshalb ich mal versuchen möchte, basierend auf meinen eigenen Erfahrungen und Beobachtungen ein paar Charakteristika der einzelnen aufzuzählen.

Ich

Wenn sie spielen, „sind“ sie der Charakter und sprechen demnach in der Ich-Form: Ich tue Dinge, ich sage Dinge, ich erlebe Dinge – als Charakter.

Diese Form ist entsprechend charakterbezogen. Es geht den Spielern darum, was die Charaktere erleben, vor allem aber, wie sie das erleben. „Ich“ ist logischerweise am nächsten an einem selbst dran und lässt wenig Spielraum für Distanz, vereinfacht somit den Zugang zu bestimmten Emotionen und meist auch den Zugang zum Charakter selbst, beeinflusst aus dieser Perspektive (aber?) auch stark Wahrnehmung und Interaktion mit anderen SC/NSC. Bestimmte Szenen und Themen können dadurch besonders intensiv werden, wenn man sich abseits der Formulierung (oder durch selbige) entsprechend auf sie einlässt. Für das „große Ganze“ (Story, Zusammenhänge) haben sie meist eher wenig Sinn.

Er/sie/es

Wer vor allem storyorientiert spielt, setzt auf er/sie/es, alternativ heißt es: „Lieschen geht mal zum Wirt“ oder „Hänschen holt seine Gitarre hervor und stimmt ein Lied an“.

Der Blick auf den Charakter und das Gesamtgeschehen ist ein bisschen weiter weg als bei der Ich-Form. Wer so spricht, identifiziert sich zwar noch in gewisser Weise mit der Figur, so dass sie gut zu lenken ist, hat den Blick aber eher auf die Story und ihren Verlauf gerichtet. Der Charakter wird eher so geführt, dass – quasi „unterschwellig meta“ – bestimmte Wendungen, Höhepunkte, Dramen etc. mehr oder minder bewusst herbei geführt werden. So sorgt man selbst mit dafür, dass die Geschichte spannend bleibt.

Diese Form des Erzählens finde ich entsprechend vor allem bei „Storytelling“-Freunden, solchen, die gerne beim Spielen eine Art Hörbuch-Qualität erreichen wollen, jedoch ebenso bei Indie-Freunden, die aus der Perspektive des verstärkten Player Empowerments und „wir alle machen die Geschichte“ heraus diese Form vermutlich schlicht für am praktikabelsten halten. Nicht zuletzt ist es ja auch die Form, die ein SL üblicherweise nutzt; entsprechend wirkt sie auch mit Blick darauf schlicht etwas homogener.

Emotionale Szenen jeder Couleur sind bei dieser Form ebenfalls möglich, wenn aus meiner Sicht auch nicht ganz so einfach wie bei der Ich-Form, denn man ist eben ein bisschen weiter weg von allem. Es ist eher so, wie man bei einem Film oder Buch mitfiebern kann, also ein bisschen nebenher, dafür aber auch besser zu dosieren und Dinge wie Spannung (also im wörtlichen Sinne von Suspense), Horror, Drama zwar zu erspüren und zu fühlen, aber eben mit einem kleinen Sicherheitsabstand. Dafür bietet diese Fraktion mehr Innenleben, weil häufiger mal eine Situation genutzt wird, um die Gedanken/Gefühle des SC im Sinne der Erzählung zu beschreiben, ohne dass gerade etwas aktiv gesagt oder getan wird, was oftmals Tempo hält und anderen Mitspielern auch als „Stöckchen“ dienen kann.

Man

Die maximale Form von Depersonalisierung. „Man“ hält nicht nur die eigene Person aus allen Emotionen heraus, sondern den geführten Charakter direkt mit. Auffällig ist für mich, dass diese Form meist von Spielern verwendet wird, die dem Ganzen immer etwas Amüsiertes mitgeben, am Ende der Aussage kichern oder durch weitere Formulierungen aus dem Geschehen ziehen. Begleitet wird „man“ zudem meist von einem „mal“.

Beispiele: „Nun ja, man geht dann mal in die dunkle Gasse, nöch?“ (wahlweise mit oder ohne Kichern), „Joa, dann gibt man der Ollen mal auf die Mappe“.

Am meisten verbreitet ist das bei Spielern, die sich tatsächlich auf keinerlei Stimmung einlassen können und eher im Videospiel-Modus handeln. Bloß keine Emotionen, bloß kein Drama, keine Gruselmomente oder iiiirgendwas in der Art. Oft sind das insgesamt eher unsichere Spieler, die wenige Ideen einbringen (vielleicht nicht unbedingt, weil sie keine haben, sondern eher, weil sie nix „Falsches/Dummes“ sagen wollen) und sich gerne leiten lassen, statt selbst aktiv zu werden.

Interessanterweise kenne ich jedoch mindestens zwei solcher Spieler, die dennoch sehr kreativ, sehr begeistert und sehr emotional spielen können und dies auch tun. Warum zum Geier sie dennoch diese Form wählen, ist mir völlig unklar. Memo an mich: Nachfragen!

Ichse, Erse und Manse zusammen am Tisch

Alle Formen für sich genommen vertragen sich natürlich ziemlich gut, aber was ist, wenn man diese Formen mischt?

Meiner Erfahrung nach sind die „Er/sie/es“-Spieler die intolerantesten der drei Typen. Sie sind stark auf die Story und den Erzählstil gepolt und fühlen sich durch andere Formen teils aktiv gestört. Schlimmer als „man“ (abseits des stimmungstötenden Drumherums) ist für sie „ich“, da es aus der dritten Person reißt und damit aus ihrer Sicht den Storyverlauf „kaputt“ macht.

Ich-Spieler sind eigentlich am leichtesten zu handhaben. Sie stören sich meist nicht an der „Er/Sie/Es“-Fraktion oder wechseln ganz oder teilweise sogar zu ihnen über je nach Spielrunde. Problematisch werden sie eigentlich nur dann, wenn das Ich nicht nur als Erzählform im Vordergrund steht, sondern auch sehr ich-bezogen gespielt wird.

Man-Spieler sind in der Regel ein Graus für jeden, der irgendwelche Spannungsmomente oder Emotionen am Tisch haben will. Jemand kann sich noch so eine Mühe geben, eine Szene toll zu beschreiben, sogar ein weiterer einsteigen … kommt dann der typische „Man“-Spieler mit oftmals pseudocoolem, pseudo-distanziertem Amüsement und Kommentaren, ist die Stimmung für alle gleichermaßen im Eimer.

Welche Typen kennt ihr so? Was nutzt ihr selbst? Und wie steht ihr zu meinen Beobachtungen?