Strange, Dead Love

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Falls jemand hin und wieder Charaktertagebücher von mir liest, ist ja bekannt: Da fliegen Emotionen schon mal hin und her, und da darf es auch durchaus mal romantisch, tragisch und leidenschaftlich werden. Da kam mir die Lektüre von „Strange, Dead Love“, einem Quellenbuch zu „Vampire: The Requiem“ außerordentlich gelegen, denn darin geht es um die Implementierung von „Paranormal Romance“ in einer Chronik.

Die Rezension zum Buch habe ich an sich für die teilzeithelden.de verfasst. Wer da nachlesen möchte, findet die gemäßigte Kritik zum Buch, die hier fällt etwas weitschweifiger aus, weil Kurzfassungen ja nicht so mein Ding sind eigentlich und ich zu einigen Punkten gerne noch ein bisschen weiter ausholen möchte. Dafür gehe ich auf einige Punkte und Beispiele hier wiederum nicht ein, die man in der anderen Rezension jedoch nachlesen kann. Nachgucken lohnt sich also auf jeden Fall. 😉

Grundsätzlich sind Romanzen und Co. Dinge, die sich mit der nWoD im Vergleich zur oWoD deutlich verändert haben. Früher galt schlichtweg: Vampire haben keine Gefühle. Dass die Quellenbücher dennoch gespickt waren mit Geschichten über Orgien oder mit mächtigen und altbekannten NSC, die an der Seite ihres Liebsten liegend über irgendwas sinnieren und Tagebuch führen, stand dem zwar gänzlich konträr gegenüber, dennoch wurde das Fehlen von Gefühlen allgemeinhin von Spielern hin- und angenommen. Die Begründung dafür, die auch teils noch immer Gültigkeit hat beziehungsweise dahingehend etwas relativiert wurde: Vampire können keine neuen Gefühle entwickeln, sondern fühlen stets nur auf Basis von Erinnerungen, erleben also eine Form von Echos, die manche von ihnen zu erhalten und zu intensivieren versuchen. Kann man sehen und handhaben, wie man gerne möchte. Ich persönlich halte das für relativen Unfug, denn wenn ein Vampir in der Lage ist, im Rahmen seiner Unsterblichkeit womöglich Freude an Grausamkeiten zu entwickeln, Rachegelüste, ungeahnte Gier, Hass und Wut, welcher Logik zufolge sollte dies sich dann nicht gleichermaßen auf Liebe und Leidenschaft beziehen? Ein bisschen was davon muss auch den WoD-Designern irgendwann mal zu dämmern begonnen haben, was wohl erklärt, warum es in der neuen WoD Beschreibungen zu Hochzeitszeremonien zwischen Vampiren gibt beispielsweise.

So, jetzt aber mal zu meiner Motivation, „Strange, Dead Love“ zu lesen, damit man meine nachher folgende Einschätzung und Bewertung auch ins richtige Licht setzen kann für sich: In fast jeder Runde spiele ich mittlerweile einen SC oder mindestens einen NSC, der genau in das Genre „Paranormal Romance“ fällt, weshalb mich das Thema quasi von Hause aus interessiert. Das sind Kombinationen aus Menschen mit Menschen, Werwölfen mit Werwölfen (ein Thema für sich), Mumien mit Menschen, und es gibt eben auch Vampir mit Vampir. Das hat sich mit der Zeit alles so von selbst entwickelt und war nicht geplant, ich bin da quasi so reingestolpert, mag aber diese Spielinhalte gern. Ganz einfach sind sie aber nun nicht, denn in der Regel sind das Spielinhalte, die zwei Charaktere am Tisch eng miteinander verbinden, den Rest der Gruppe jedoch außen vor lassen. Nun will man das, was da begonnen hat, auch inhaltlich im Spiel haben und will wissen, wie es einen Charakter prägt, verändert oder schlicht, wie sich das Ganze so entwickelt, andererseits will man dem auch nicht zu viel Raum geben, um damit die anderen Spieler nicht zu nerven. Das kann mitunter ein bisschen schwierig bis frustrierend werden, so dass wir das Problem dadurch lösen, dass Beziehungsinhalte wie andere persönliche Inhalte bedarfsweise auch im Solo, also 1:1, gespielt werden und der Schwerpunkt des Gruppenspiels eben da liegt: Gruppenspiel und Plot. Von „Strange, Dead Love“ erhofft hatte ich mir, darüber hinaus noch Tipps zu bekommen, wie man mit solcherlei umgehen kann, wie sich Dinge vielleicht sogar noch auf die Spielmechanik auswirken können (sekundär), wie man es schaffen kann, „Beziehungskisten“ auch innerhalb des Gruppenspiels für alle Seiten vernünftig einzubasteln.

Einleitung und erstes Kapitel des Buches haben diesbezüglich schon ziemlich vielversprechend begonnen, wie ich fand, denn es beschäftigt sich mit einigen klassischen Fragestellungen sowie möglichen Themen an sich in Bezug auf „Paranormal Romance“. Wie ist das nun mit Sex bei Vampiren? „Bringt“ der was? Oder ist das doch nur notwendiges Beiwerk, um Menschen zu beglücken, derweil der Vampirkuss beziehungsweise das Trinken von Blut das eigentlich orgiastische Nonplusultra ist? Macht es überhaupt einen Unterschied, ob sich ein Mensch freiwillig in eine Beziehung zu einem Vampir begibt, ob man dazu Disziplinen einsetzt, Blutsbande nutzt, jemanden zum Ghul macht? Und was kann man abseits des üblichen Alltags-Charakterspiels eigentlich so einbringen, um solche Beziehungen nicht zum Susi-und-Strolch-Äquivalent zu stundenlang ausgespieltem Ausrüstungseinkaufen und Tavernengesprächen werden zu lassen?

In diesem ersten Kapitel wird einiges angerissen. Beschrieben wird das Ziel der Erlösung durch die wahre Liebe, das Finden von Seelenverwandten, die Liebe entgegen aller bestehenden Zweifel, Opferbereitschaft, tragische und vom Schicksal verfluchte Beziehungen, aber auch negative Aspekte, die bei all dem einfließen können: Mord aus Liebe, Besessenheit, völlige Hingabe und womöglich Selbstaufgabe, Verlust und Verlustängste, die Illusion der Liebe. Benannt werden klassische Paarbeziehungen, One-Night-Stands, Affären, Exzesse mit mehr als drei Personen, Dreiecksbeziehungen … also viel ausgelassen wurde in dem Kapitel nicht, genauer beleuchtet allerdings auch nichts von alldem. Ist ja auch nicht schlimm, denn zu diesem Zeitpunkt hat man noch nicht einmal ein Drittel des gesamten Buches gelesen.

Das erste Kapitel schließt mit Vorschlägen für Umgebungsfaktoren, die teils schon ein wenig seltsam anmuteten für mich. Dazu gehört das Voraussetzen einer beispielsweise entspannten Maskerade, wo jeder lieben darf, wo und wen er will, umgekehrt aber auch die Option, Gesetze gegen die Liebe in den Mittelpunkt einer solchen Geschichte zu stellen. Was wäre, wenn es eine Alternative zu Blut gäbe – wäre die Faszination des Menschen für „seinen“ Vampir dann noch immer dieselbe? Oder würde das, was man für Liebe hielt, einfach erlöschen? Das sind noch einigermaßen interessante Fragen, die da aufgeworfen werden, auch wenn unklar bleibt, wie man das bitte schön innerhalb einer Chronik herausfinden oder als solches implementieren sollte. Dann stieß ich auf die Idee, verfluchte Erbstücke einzusetzen, um Dialoge zwischen Menschen und Vampiren besser zu ermöglichen, und das war dann ungefähr auch die Stelle, an der meine Augenbrauen sich erstmals zweifelnd nach oben hoben. Da waren sie dann auch erst mal gut aufgehoben, denn die Idee eines übernatürlichen Nachtclubs, in dem sich gleichermaßen Menschen, Vampire, Werwölfe, Magier und Co. tummeln und einander näher kommen, hat mich nun auch nicht gerade vom Stuhl gerissen.

Das nächste Kapitel beinhaltet „Shards“, wobei die einzelnen ideengebenden „Splitter“ deutlich über die Form eines solchen hinausgehen. Zu jeder Überschrift finden sich neben einer kurzen einleitenden Geschichte passend zum Thema gleich noch Beschreibung, vorherrschende Stimmung, Erfordernisse an teilnehmende Spielercharaktere, mögliche Formen von Verbündeten und Gegnern für die jeweilige Art der Geschichte, drei Beispiel-Plothooks sowie spielmechanische Anpassung, um das ausgewählte Thema noch mehr zu unterstützen. Klingt so weit ja nicht schlecht, bleibt also eher die Frage, wie genau das umgesetzt wurde. Meine Meinung dazu: mager.

Gleich das erste Beispiel sieht vor, die Namen der SC, wahlweise mit Namen von NSC, in eine Schüssel zu geben und jeden Spieler einen dieser Zettel ziehen zu lassen. Diese Person verkörpert dann, wen er begehrt, von sich zu überzeugen versucht etc.  Diese geheime Begierde soll dann als zweites Laster fungieren. Aha.

Ein anderes Beispiel gibt ein altes Anwesen vor mit seltsamen Bediensteten, einer ebensolchen Familie und einer „lang verschollenen Tante“, die plötzlich auftaucht. Das alles erleben nicht (nur) die Charaktere, sondern vor allem ein NSC namens Mark, der schwer ins Staunen kommt bei diesem Aufgebot an Merkwürdigkeiten. Die SC hingegen können dort zu Besuch sein oder leben, den armen Mark damit vermutlich noch mehr verwirren und dank der drei Beispiel-Plothooks zum Beispiel entdecken, dass die „Tante“ einen geheimen Raum hat, in dem sie unvorstellbare Reichtümer hortet. Spielmechanisch wird angeboten, dass alle SC mit Kontakten, Verbündeten etc. im Haus einen Willenskraftpunkt ausgeben können, damit einer von ihnen ein Gespräch zwischen dem SC und einem Dritten belauschen kann, und dass man Erfahrungspunkte am Ende nicht wie sonst erhält, sondern nur für jeden NSC, der auf diese Weise Kenntnis von irgendwelchen Gesprächen bekommen hat. Aha.

Oder wie wäre es mit den unterworfenen Werwölfen, die zum Vollmond bis zum Tod gegeneinander antreten müssen, kontrolliert und beherrscht durch Vampire, die sich offenbar einen Spaß daraus machen. Natürlich verliebt sich ein SC dann in einen dieser Werwölfe (öhm, und der Rest?) und nun ist die Frage: Wird er ihn auf seinen letzten Kampf vorbereiten, ihn befreien oder was sonst? Das spielmechanische Angebot sieht hier Zusatzregeln für die Abhängigkeit von Werwolfblut vor (tatsächlich nicht uninteressant) sowie die Möglichkeit, durch Instinkt-Würfe zu entscheiden, ob man sich einem Vampir unterordnen muss oder ausrastet – also entweder SL-Spaß mit Werwolf-NSC oder für gemischte Runden aus Vampiren und Werwölfen gedacht. Aha.

Naja, nicht alle der neun Vorschläge sind schlecht, manches ist im Gegenteil sogar recht interessant, auch wenn man das für die groben spielmechanischen Hinweise, die sich meistens auf Willenskraftoptionen beziehen, einige Male jedoch auch auf Tugend und Laster, nicht so unbedingt sagen kann. Ein paar Beispiele mehr finden sich in der eingangs verlinkten Rezension für teilzeithelden.de

Auf das letzte Kapitel habe ich mich ohnehin am meisten gefreut: Storytelling! Hier, so hoffte ich, werde ich also in Bezug auf Möglichkeiten der Kombination von Beziehungen zwischen zwei Personen vs. Gruppenspiel unterstützt. Juhu! Das Kapitel beginnt stattdessen aber mit einigen Worten zum Gruppenvertrag … und man schlägt vor, dass man zusammen dieselben Filme sieht oder sich gegenseitig ein paar Bücher ausleiht, damit alle dieselbe Vorstellung von einer „Paranormal Romance“-Gruppe haben. Es geht weiter mit Hinweisen zur Charaktererschaffung, wo man erfährt, dass es sinnvoll ist, seinen SC mit Emotionen, Macken und derlei mehr auszustatten. Als nächstes erfährt man was zum zeitlichen Ablauf einer Session, nämlich dass man die in Echtzeit spielen kann, sogar mit einer Uhr dabei, unbelievable! Man kann aber sogar auch Musik beim Spielen einsetzen und Spannung erzeugen, indem man Münzen in eine Schüssel schmeißt oder einen Jenga-Turm verwendet (fällt der Turm um, ist die Szene/Zeit rum – auch nicht neu). Es wird vorgeschlagen, Erfahrungspunkte an Spieler zu vergeben, die sich genretreu zeigen (damit sie nicht durchweg weglaufen, wenn sie mit Romanzen konfrontiert werden?) oder für die anderen außerhalb einer Inplay-Beziehung vielleicht Seitenstränge und Subplots anderer Art einzubinden, damit denen nicht langweilig wird. Ansonsten empfiehlt man, Beziehungszeug in 1:1-Sessions auszuspielen und hat dafür auch noch ein paar schräge Ideen wie den Einsatz von Skatkarten zum Festlegen der Inhalte von Szenen auf Lager (Herz für Romantik, Pik für Gefahr, Kreuz für Kampf und Karo für Ressourcen – nicht mal eine grundsätzlich blöde Inspiration zur Plot-/Szenenplanung generell, gibt’s mit Tarotkarten und Co. ja auch, aber speziell für Beziehungsszenen im 1:1 sowas!?). Oh, und natürlich wird noch darauf hingewiesen, dass man Inplay und Outplay stets voneinander trennen sollte, dass ein 1:1-Spiel starke Emotionen auslösen kann (kann es das nicht sowieso immer?), und dass man vielleicht besser ein „Safeword“ vereinbart, falls es einem von beidem zu weit geht. My dear …

Naja, mein Fazit: Auf viel gehofft und wenig bekommen. Die Sachen, die ich sinnvoll finde, auf die bin ich schon von alleine gekommen, die Sachen, die ich gebraucht oder mir gewünscht hätte, habe ich in diesem Buch nicht gefunden. Ist sicherlich eine tolle Quelle für Leute, die noch nicht so lange spielen, oder auch für solche, die sich noch nie zuvor Gedanken gemacht haben, wie genau man Romantik, Leidenschaft etc. in eine Chronik einbinden könnte. Ansonsten eignet sich das Buch für Sammler, die einfach jede WoD-Publikation im Schrank oder auf der Festplatte haben wollen. Und das … war es dann leider auch schon. Schade.